9. November 1938 Berührendes Gedenken auf dem Friedhof an die Opfer der Pogromnacht in Wuppertal
Wuppertal · Schülerinnen und Schüler lesen Opfer- und Zeugenberichte aus der Pogromnacht in Wuppertal.
Die Berichte sind zu Herzen gegangen. Zeugenaussagen aus Wuppertal, Erzählungen von Menschen, die Opfer geworden sind in der Nacht vom 9. November 1938 und in den Tagen danach. Wuppertaler, die sahen, wie die Synagoge brannte, die auf den Bürgersteigen durch Glasscherben gelaufen sind, deren Häuser beschädigt und beschmiert worden sind. Die Bilder, die Gefühle der Opfer wurden spürbar, als die Schülerinnen und Schüler der Hermann-von-Helmholtz-Realschule die Berichte am Donnerstag auf dem jüdischen Friedhof am Weinberg vortrugen. Weit mehr als 100 Besucher hörten ihnen zu und waren sichtlich berührt. Die Jugendlichen hatten die Berichte für den Geschichtsunterricht recherchiert, den sie ihr Licht in die Vergangenheit nennen.
Wie notwendig diese Erinnerungsarbeit ist, wie grausam aktuell, was die Schülerinnen und Schüler vortrugen, das machte die Ansprache von Leonid Goldberg deutlich. Der Vorsitzende der jüdischen Kultusgemeinde im Bergischen Land verband die Erinnerung an die sogenannte Pogromnacht mit dem Massaker, das islamistische Terroristen jüngst in Israel an der Grenze zum Gazastreifen angerichtet haben. „Sie buken ein Baby im Ofen“, sagte Goldberg und zitierte damit Ermittlungsergebnisse über die Verbrechen am 7. Oktober dieses Jahres. „Sie töteten Kinder vor den Augen ihrer Eltern“, sagte er und erinnerte an die 239 Geiseln, darunter ein neun Monate alter Säugling, die noch in den Händen der islamistischen Schlächter der Hamas sind. Goldberg sprach von einer Zeit vor dem 7. Oktober und von der Zeit danach. Juden fühlten sich nicht mehr sicher in Deutschland, gäben sich in der Öffentlichkeit nicht mehr zu erkennen. Er vermisst mehr breite Unterstützung in Deutschland für jüdisches Leben. „Gedanklich packen viele Juden schon wieder ihre Koffer“, sagte er. Er zeigte sich fassungslos darüber, dass so etwas 85 Jahre nach der Pogromnacht und nach der Ermordung von sechs Millionen Juden wieder geschieht. „Der Damm ist gebrochen.“
Remscheids Oberbürgermeister Burkhard Mast-Weisz stellte die Frage, ob die Menschheit aus der Geschichte gelernt habe. „Haben nicht alle geschworen: nie wieder. Sollten nicht alle Opfer des Faschismus uns zum Frieden mahnen?“ In der Folge zählte er die aktuellen Konfliktherde vor allem auf dem afrikanischen Kontinent auf, erinnerte daran, dass der Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine bereits fast zwei Jahre dauere. „Riesige Summen werden nicht für Hungernde und Schutzsuchende ausgegeben, sondern für Waffen.“ Wieder seien Hunderttausende umgekommen, Kinder hätten ihre Väter verloren, Frauen ihre Männer. „Und jetzt der mörderische Überfall der Hamas auf Israel. Wieder Krieg, wieder Tote.“ Die Opfer auf beiden Seiten seien Zivilisten. Der Tod kenne keine Nationalität.
Mast-Weiz berichtete von einem Gespräch mit einem Remscheider Bürger, der sehr vorsichtig geworden sei, sich in der Öffentlichkeit als Jude zu erkennen zu geben. „Wenn wir in dieser Situation unsere Verbundenheit mit Israel infrage stellen, wenn wir in unserem Land nicht alles dafür tun, dass jeder und jede seinen und ihren Glauben ohne Bedrohung leben kann, wenn wir uns nicht unserer besonderen, aus unserer Geschichte erwachsenen Verantwortung für die Menschen jüdischen Glaubens bewusst sind, dann machen wir diejenigen, die dem Faschismus zum Opfer gefallen sind, erneut zu Opfern.“