Hans-Jürgen Hiby — ein organischer Bildhauer
Der Künstler vergrößert sein Atelier um drei Räume und lädt bis Sonntag zum Besuch ein.
Das Lieblingsstück steht mitten im Garten — wuchtig, groß, mehrere Tonnen schwer. Eben eine „Urmutter“, wie die aus weißem Marmor von der Insel Naxos 1984 gefertigte Skulptur denn auch heißt. „In der Mitte ist ein Schallloch mit einem Babykopf“, erklärt Hans-Jürgen Hiby. Blickt in den idyllischen Garten, der Bestandteil seines riesigen Ausstellungskomplexes aus Wohnhaus, Atelier und Werkstatt ist. Seit dem Wochenende lädt der bekannte Wuppertaler Bildhauer zum Besuch. Wer will, kann bis zum 17. Juni „Alte und Neue (T)Räume“ Hibys kennenlernen, in die Welt des 77-jährigen Künstlers eintauchen.
Hier und da kann man die ehemalige Riemendreherei der Mutter, in der nach dem Krieg Klöppelspitzen gefertigt wurden, noch erkennen. Die hohen, ehemaligen Werkhallen schließen sich nahtlos an das Wohnhaus der Hibys am Bruch an. Bis vor kurzem waren die hintersten drei Räume noch Lager, sind nun aber Bestandteil von mehr als 300 Quadratmetern Ausstellungsfläche mit Werkstatt. Prall gefüllt mit mehr als 150 Bildern und etwa 130 Skulpturen, jede(s) hat eine eigene Geschichte. Arbeiten, die ihr Erschaffer teilweise selbst länger nicht gesehen hat, wie die Holzskulptur, die er vor vielen Jahren aus einem Treppenpfahl im Haus der Schwiegereltern gefertigt hatte. Mit der Ateliervergrößerung erfüllt er sich einen lang gehegten Traum.
Schon als Kind zeichnete Hiby gerne, studierte aber, der Vernunft und gutem Ratschlag folgend, Kunsterziehung. Kam im Werklehreunterricht mit Materialien wie Holz, Metall und Ton in Berührung. Bei einer Exkursion ins österreichische Burgenland tauchte er in die Welt der Bildhauerei ein, vertiefte das Interesse an der Meisterschule für Bildhauerei in Wien. Und doch kehrte Hiby zu Studium und Lehrtätigkeit zurück, unterrichtete schließlich 30 Jahre lang, bis 2003, als Kunstlehrer am Gymnasium Sedanstraße. Stets „nebenher“ als Künstler arbeitend.
Die Malerei sei narrativer als die Bildhauerei, erzählt Hiby, auf den Bedeutungs-Unterschied angesprochen. Zwar habe er immer gezeichnet, sei zur großflächigen Malerei aber erst später gekommen, während die Skulpturen „meine Grundlage“ sind. Auf die sich viele seiner Bilder beziehen, ansonsten aber auch aktuelle politische Themen wie Klimawandel und Flüchtlinge behandeln.
„Der Weg ist das Ziel“ lautet das Motto Hibys. Der philosophische Satz hat viel mit seinem Lieblingsmaterial Holz zu tun, weil Bäume vom Pflanzen bis zum Fällen einer Art Lebensweg folgen. Außerdem steht seit 2017 an der Nordbahntrasse Hibys Skulptur mit demselben Namen, Radler fahren an ihr vorbei, die ebenfalls im Unterwegssein ihr Ziel sehen. Auch Hiby walkt hier — hält sich überdies fit mit täglicher Gymnastik und regelmäßiger Thaimassage, um die anstrengende Bildhauertätigkeit zu bewältigen.
Die nimmt ihren Anfang meist im Material. Das Holz ist, seiner Empfindlichkeit im Außenbereich wegen, aber zunehmend auch Stein sein kann. Hiby nennt sich einen „organischen Bildhauer“. Organische Formen und Körperfragmente sind häufig Leitmotiv seiner Skulpturen. Dass er immer wieder Finger und Hände formt, hat verschiedene Gründe: die senkrechte Ausrichtung des Holzes, Hände sind „mein absolutes Werkzeug beim Modellieren“, Finger sind beim Arbeiten mit der Kettensäge (von denen er eine ganze Kollektion besitzt) stets gefährdet und „mein Sohn hat sich den kleinen Finger auf diese Weise abgesägt“.
Ausstellungen soll es künftig nur noch zuhause geben — die schweren Skulpturen sind Transportungeheuer. Nach den Juni-Tagen öffnet Hiby auch anlässlich der WoGa (Wuppertaler Offene Galerien und Ateliers) im November. Wenn Tony Cragg allerdings anfragte, würde er natürlich eine Ausnahme machen — „sein Skulpturenpark ist einfach klasse“.