Housing First: Neuer Ansatz für Wohnungslose in Wuppertal
Der Paritätische Wohlfahrtsverband stellt das Konzept aus den USA vor. In Düsseldorf läuft das Projekt bereits.
Als am 29. Mai der Starkregen die Straßen in Wuppertal überflutete, dachten die meisten erst einmal an ihren eigenen Keller oder ihre Wohnung. So auch Iris Colsman, Kreisgruppenvorsitzende des Paritätischen Wohlfahrtsverbands in Wuppertal. „Und plötzlich kam es über mich: Was ist mit den Herren, die unter der Brücke Stennert leben?“, fragte Colsman zu Beginn des Vortrags über das Housing First Fonds Projekt in der Färberei. Obdachlose hätten in so einer Notlage sehr zu kämpfen.
Dieses Mal konnten sie in Sicherheit gebracht werden - trotzdem ist Wohnungslosigkeit in NRW und auch in Wuppertal ein Problem. Daher stellte Sylvia Rietenberg, Fachreferentin für Wohnungspolitik von der Kreisgruppe Münster das Projekt Housing First (deutsch: Wohnen zuerst) vor. Im Publikum saßen vor allem Mitarbeiter paritätischer Träger und unterschiedlicher Einrichtungen in Wuppertal sowie Mitarbeiter der Stadtverwaltung, aber auch, zur Überraschung Colsmans, Vertreter der Diakonie, also eines konfessionellen Trägers.
Ziel des Projekts ist es, Menschen, die lange wohnungslos sind, langfristig zu einer Wohnung mit regulärem Mietvertrag zu verhelfen. Die Träger sollen helfen, in dem sie Vermieter der Wohnungen werden. „Der Housing First-Ansatz bedeutet: Gib dem Menschen eine Wohnung und die Hilfe, die er braucht, um dort wohnen zu können“, so Rietenberg.
Seine Ursprünge hat Housing First in den USA, wo es bereits in den 90er Jahren angewendet wurde. In mehreren europäischen Ländern, etwa in Österreich und Portugal, ist der Ansatz bereits erfolgreich umgesetzt worden. In Düsseldorf hat der Paritätische Wohlfahrtsverband NRW in Zusammenarbeit mit dem Verein Asphalt und der paritätischen Geldberatung das Projekt angestoßen.
Dafür spendete der deutsche Maler, Bildhauer und Fotograf Gerhard Richter 18 Bilder. Der Erlös fließt in das Projekt. Bisher konnten bereits 48 Wohneinheiten in den vergangenen zwei Jahren an Obdachlose vermietet werden.
„Ziel ist es, den Zugang zu Wohnraum nicht an Bedingungen wie Therapie oder Abstinenz zu knüpfen“, sagt Rietenberg. Trotzdem sollen die Bewohner parallel betreut werden. Sobald die Obdachlosen einen Schlüssel in der Hand hätten, käme das Bedürfnis nach Hilfe von allein.
Das Projekt zielt darauf ab, die Wohnungslosen aus ihrem alten Umfeld herauszulösen und in normalen Mietshäusern unterzubringen. „Wir wollen keine Ghettos“, betont Rietenberg. Auch der Bau von ganzen Häusern, in dem nur Obdachlose leben, sei nicht das Ziel des Konzepts.
Das Konzept stieß bei den Trägern zunächst auf positive Resonanz, aber es kamen auch kritische Fragen in der Diskussion auf. „Ich kann mir schlecht vorstellen, dass der, der in der Bäckerei herumkrakelt, in einer Wohnung wohnt und dort zurecht kommt“, hieß es aus dem Publikum.
Aber der Housing First Ansatz scheint erfolgreich zu sein - zwischen 80 und 90 Prozent der Langzeitwohnungslosen, die in Housing First Projekten untergekommen sind, sind langfristig in den Wohnungen geblieben.