„Ich mag das Gefühl in diesem Tal“
Eine ausgezeichnete Vorstellung: Die neue Generalmusikdirektorin Julia Jones präsentiert sich erstmals dem Publikum.
Wuppertal. Julia Jones war noch nicht an ihrem Platz auf der Bühne angekommen, da hatte sich das Publikum in der restlos gefüllten Citykirche zu ihrer Begrüßung schon ausdauernd warm geklatscht. Als „Kracher zur Eröffnung der ,Ohrenöffner’-Saison“, stellte Moderator Björn Woll die neue Generalmusikdirektorin despektierlich vor.
Doch Jones ließ sich weder jetzt noch später von ihm irritieren. Die 55-jährige Britin wird sich gut überlegt haben, wie und wo sie sich zum ersten Mal öffentlich in der Stadt präsentiert. Mit dem „Ohrenöffner“, der kostenlosen Gesprächsreihe des Sinfonieorchesters, hat sie klug gewählt: Ohne Pomp und Glamour geht es leicht verständlich immer um das Eine - Musik in all ihren Facetten.
Es lief von vornherein blendend. Jones erzählte, sie sei 2012/2013 erstmals zum Gastdirigat nach Wuppertal eingeladen worden. „Ich bin am Bahnhof angekommen. . .“ - da lachte der Saal auch schon. Das eröffnete die Gelegenheit für Komplimente. „Ich mag das Gefühl in diesem Tal“, sagte sie, „ich mag die Menschen. Sie haben ihre Meinung, und sie lieben die Kultur. Es ist toll, das zu spüren - so wie beim letzten Konzert von Herrn Kamioka.“
Berührungsängste kennt sie offenbar nicht, ihren Vorgänger hat sie längst zu ihrem ersten Konzert eingeladen. Locker erzählte die neue Generalmusikdirektorin von den Anfängen des Dirigierens („An der Uni haben sie gesagt: Du kannst Menschen gut erzählen, was sie zu tun haben“), dass sie ihren Taktstock für zwölf Euro im Musikgeschäft kauft und warum sie nach dem Studium nach Deutschland gezogen ist: „Ich brauchte Arbeit, und hier gibt es so viele Opernhäuser.“
Moderator Woll kam bald auf die Frage nach der Diskriminierung von Frauen am Dirigentenpult zu sprechen. Jones reagierte kühl: „Ich habe solche Bemerkungen in den vergangenen 25 Jahren komplett ignoriert.“
Als sich nach einer halben Stunde Martin Schacht, Paukist des Sinfonieorchesters, auf dem Podium dazugesellte, konzentrierte sich das Gespräch auf die Zusammenarbeit von Dirigentin und Orchester, auf Sitzordnung und Probenpraxis. „Wenn das Orchester zu etwas gezwungen wird, dann merkt das Publikum das intuitiv“, setzte Schacht dem Alleinbestimmungsanspruch eines Dirigenten Grenzen. Auch Julia Jones hält nichts von Despoten am Dirigentenpult: „Was bringt es, wenn man jemanden anschreit, weil er falsch gespielt hat? Dieses Benehmen ist ganz weit weg von unserer Kultur heute.“ Am Wuppertaler Orchester schätzt sie die Vielseitigkeit: „Ich hatte hier mal ein Programm mit ganz verschiedenen Musikstilen - das können viele Orchester nicht gut. Mit diesem Orchester war es aber ganz einfach. Das fand ich imponierend.“
Die Stunde verplauderte sich munter, was allerdings weniger am Moderator lag. Nicht nur wegen seiner plumpen Fragen („Freuen Sie sich auf Wuppertal?“) und unsouveränen Gesprächsführung („Das wollen wir später noch behandeln“), sondern auch weil er laut und hastig auf seine Gesprächspartner einredete. Julia Jones ließ ihn einige Male höflich abblitzen: „Ich kann das nicht so beschreiben, wie Sie es wahrscheinlich hören wollen.“
Im übrigen tat die Generalmusikdirektorin das, was Wolls Aufgabe gewesen wäre - sie bezog das Publikum ein („Was ist denn Ihnen bei den Hörbeispielen aufgefallen?“) und bedankte sich für sein Kommen. Mit trockenem britischem Witz und anschaulichen Erklärungen, unprätentiös und schlagfertig zog sie die Besucher auf ihre Seite - sofern sie überhaupt gezogen werden mussten.