„Im Briller Viertel wäre einiges anders gebaut worden

Professor Rolf Westerheide aus Aachen ist der Vorsitzende des Wuppertaler Gestaltungsbeirats.

Wuppertal. Der Gestaltungsbeirat gibt Empfehlungen für Verwaltung und Politik zu stadtbildprägenden Bauvorhaben. Er berät Architekten und Bauherren sowie Politiker und Stadtverwaltung, die die Entscheidungen treffen. Die WZ sprach mit dem Vorsitzenden des Gestaltungsbeirates Prof. Rolf Westerheide.

Herr Westerheide, als Aachener Architekt und Stadtplaner sind Sie Vorsitzender des Gestaltungsbeirats der Stadt Wuppertal. Wie ist ihre Verbindung zu Wuppertal?

Foto: Stefan Fries

Rolf Westerheide: Ich stamme aus Bielefeld und lebe in Aachen. Ich bin vom Beigeordneten der Stadt Wuppertal gefragt worden, ob ich mir eine Arbeit im Gestaltungsbeirat vorstellen könnte. Zur Zeit bin ich noch in Bonn, Soest, Düren und Darmstadt in Beiräten tätig.

Frage: Der Gestaltungsbeirat tagt nicht öffentlich. Warum?

Westerheide: Das gilt für Wuppertal. Es ist wichtig, vertrauliche Gespräche mit Architekten und Bauherren ohne die Öffentlichkeit und Medien führen zu können. Den Architekten fällt es nicht immer leicht, ihre Pläne begutachten und bewerten zu lassen. Das klare Wort, die Vertraulichkeit und direkte Ansprache ist eine wichtige Qualität innerhalb der Beiratstätigkeit. Im Idealfall findet ein kreativer Dialog mit Bauherren und Architekten statt. In Darmstadt sind die Sitzungen des Beirats zum Beispiel nach internen Beratungen und anschließendem vertraulichem Gespräch mit den Architekten öffentlich. Ich finde persönlich einen Mix sehr gut. Die Stadt Bonn gönnt sich bei spannenden Themen einmal im Jahr eine öffentliche Sitzung des Städtebau - und Gestaltungsbeirates. Das schafft Transparenz in der Öffentlichkeit für unsere Arbeit.

Frage: Können Sie ein Beispiel nennen, in dem der Gestaltungsbeirat sein Veto gegen eingelegt hat?

Westerheide: Wir treffen keine Entscheidung, sondern geben als Experten lediglich Empfehlungen zu Bauvorhaben ab. Wir sind ein beratendes Gremium, dass Überzeugungsarbeit leisten muss, wir kommunizieren, geben gestalterische Anregungen und fassen diese fachlichen Einwände und Bewertungen in einem Protokoll zusammen. Letztlich entschieden werden die Bauvorhaben nach Gesetzeslage, durch die Verwaltung und gegebenenfalls durch den Rat und seine Ausschüsse. Viele Bauvorhaben, auch in dem wunderschönen Briller Viertel, sind nach den Beratungen im Gestaltungsbeirat nicht so umgesetzt worden, wie sie am Anfang vom Bauherrn und Architekten geplant wurden. Viele Anregungen und Hilfestellungen seitens des Beirats konnten sowohl im Geschosswohnungsbau als auch bei besonders bedeutsam Einzelbauwerken die architektonische Qualität und die städtebauliche Einfügung verbessern.

Frage: Was beeinflussen Sie im Detail?

Westerheide: In den Diskussionen ging es um das verwendete Material, die Gebäudekubatur, die Fassade, die gewählte Dachform oder die Gestaltung des privaten Freiraums. Die Architektur sollte vor allem den Ort würdigen, an dem das Gebäude entstehen soll. Das gilt zum Beispiel auch für den Umbau der Villa Amalia. In Gesprächen konnten wir die Architekten und Bauherren überzeugen, den Charakter des Parks und der Villa zu erhalten.

Frage: Sollte man historische Wohngebiete wie das Briller Viertel nicht komplett unter Denkmalschutz stellen, um Bauprojekte zu verhindern, die dort nicht hinpassen?

Westerheide: Wir fahren vor jeder Sitzung des Gremiums gemeinsam mit einem Bus zu dem entsprechenden Ort, um uns mit den Gegebenheiten vertraut zu machen. Das haben wir auch zum Beispiel bei den Bauvorhaben im Briller Viertel so getan. Zum Beirat gehört neben Architekten, Stadtplanern und sachkundigen Politikern auch eine Landschaftsarchitektin, die immer wieder alle Beteiligten auf die besondere Anforderungen der Freiraumqualitäten hinweist, bezüglich der ökologischen und gestalterischen Qualitäten. Besonders die Gestaltung der Vorgartenbereiche in traditionell mit Vorgärten ausgestatteten Quartieren ist dabei ein besonderes Kriterium der Qualität. Welche Form der Steuerung von gestalterischer Beeinflussung auf Bauvorhaben man im Einzelfall wählt, gilt es abzuwägen. Dies kann unter anderem eine Gestaltungssatzung sein und im Einzelfall sicherlich auch mal Denkmalschutzsatzung sein. Der Gesetzgeber sieht hierfür bestimmte Kriterien und städtebauliche Begründungen vor. Gerne würde sich der Wuppertaler Beirat an dieser Diskussion beteiligen.

Frage: In Wuppertal wird viel gebaut. Was beschäftigt den Gestaltungsbeirat aktuell mehr: Wohnbebauung, Geschäftsbauten oder öffentliche Bauvorhaben?

Westerheide: Die Auswahl der Objekte, die der Gestaltungsbeirat begutachtet, nimmt die Geschäftsstelle der Verwaltung vor. Grundsätzlich sollte der Beirat frühzeitig einbezogen werden, möglichst noch vor dem Bauantrag, so dass der Architekt Alternativen vorlegen kann. Das Spektrum ist sehr groß: Wir beurteilen Planungen für Kitas, Hotels, Stadtvillen, Hochschulgebäude, Mehrfamilienhäuser, Geschosswohnungen aber auch für Projekte wie den Döppersberg (zum Beispiel den Umbau der Bahndirektion zu einem Outlet Center, d. Red).

Frage: Was sind die Stärken, was die Schwächen Wuppertals aus Sicht des Stadtplaners?

Westerheide: Wuppertal ist sehr vielfältig. Es gibt viele Identitäten. Das ist eine Herausforderung, die mir zunehmend Spaß macht. Man braucht gerade in dieser Stadt Fingerspitzengefühl und muss die jeweiligen Orte verstehen. Die sehr starke Vielfältigkeit verlangt es, sich nicht auf einen Stil festzulegen. Identitäten entstehen im baulichen Kontext, wenn es gelingt die Besonderheiten der lokalen Situation mit der Prägung der Landschaft oder des Freiraums in Einklang zu bringen. Stadt und Städtebau bleiben nicht stehen, sie sind auch immer Ausdruck der heutigen Zeit und sollen auch nach vorne schauen, schön ist Architektur und Städtebau dann, wenn es gelingt die besondere Begabung des Ortes mit seiner Geschichte zu einem Neuen zu verweben.