Wuppertal Integration und Behinderung: Multiple Herausforderungen meistern

Im März geht die Seminarreihe „Kultur inklusiv“ des Elternnetzwerks NRW an den Start.

Erol Celik, Vorsitzender des Elternnetzwerks NRW bei der Kick-Off-Veranstaltung.

Foto: Bartsch,G. (b13)

Eltern von Kindern mit Behinderungen stehen im Alltag großen Herausforderungen gegenüber – die Themen reichen von Kitaplätzen und Schulbildung bis hin zur Beantragung individueller Fördermöglichkeiten. Hat die Familie zusätzlich einen Migrationshintergrund, können sich die Hürden noch vervielfachen. Das Elternnetzwerk NRW bietet ab März eine Seminarreihe in Wuppertal, Solingen und Remscheid an, die Eltern von Kindern mit Behinderung und Zuwanderungsgeschichte stärken soll.

Der Bedarf ist groß: 6,8 Prozent aller im Bergischen Städtedreieck lebenden Menschen ohne deutsche Staatsbürgerschaft hätten eine Mehrfachbehinderung, so Projektleiterin Yasemin Tayeboun. Diese Zahl stamme aus dem Jahr 2015, aktuellere Erhebungen gebe es nicht.

Auch Josef Neumann, sozialpolitischer Sprecher der SPD-Landtagsfraktion NRW, kritisiert die mangelnde öffentliche Aufmerksamkeit für das Thema Migration und Behinderung, das keineswegs nur eine überschaubare Randgruppe betreffe.

„Eine inklusive Gesellschaft ist alternativlos“, so Neumann. Denn die einzige Alternative seien Ausgrenzung und Nationalismus. Die betroffenen Familien müssten stärker unterstützt und Fachkräfte für den Umgang mit Menschen mit Behinderungen als normaler Teil der Gesellschaft sensibilisiert werden – von behandelnden Ärzten bis hin zu barrierefrei planenden Architekten. In vielen Bereichen stünde man noch am Anfang der Entwicklung.

der Dachverband Elternnetzwerk NRW hat im vergangenen Jahr eine BEdarfsanalyse durchgeführt – in Kooperation mit einigen der über 300 Mitgliedsorganisationen aus 50 Herkunftsländern. Aus deren Erkenntnissen wurde die Seminarreihe konzipiert. „Kultur inklusiv“ soll Eltern Fördermöglichkeiten und Zukunftsperspektiven für ihre Kinder aufzeigen, sie in bürokratischen Prozessen unterstützen, die Rolle von Eltern und Geschwistern diskutieren und nicht zuletzt betroffene Familien im Städtedreieck miteinander vernetzen.

Die Seminare finden in der Alten Feuerwache Wuppertal, im Solinger Mehrgenerationenhaus und in der Remscheider Kinder- und Jugendwerkstatt Echt Kremig e.V. statt. Auch die Teilnahme von Geflüchteten ist erwünscht.

Oberbürgermeister Andreas Mucke betonte zum Projektauftakt am Samstag in der Färberei, für eine gelungene Inklusion müssten die Barrieren in den Köpfen der Menschen überwunden werden.

Tan Cağlar, Comedian, Türke und Rollstuhlfahrer, der sich selbst als „Schweizer Taschenmesser der Minderheiten“ bezeichnet, forderte eine aktivere Herangehensweise: „Inklusion ist keine Denksportaufgabe, sondern ein Menschenrecht.“ In einem Ausschnitt aus seinem Bühnenprogramm „Rollt bei mir…!“ berichtete Cağlar mit viel Selbstironie aus seinem Alltag, in dem er nicht nur mit Barrieren, sondern auch mit Vorurteilen aller Art konfrontiert ist. Wichtig sei es, dabei nicht den Humor zu verlieren: „Eine gewisse Lockerheit und eine Annahme der Situation sind ein großer Schritt, um das beste aus der Situation zu machen“, so Cağlar.

Auch Inklusionsbotschafterin Ayfer Avci, die trotz ihrer Körperbehinderung ihr Abitur machte, Psychotherapeutin wurde und heute unter anderem muttersprachlich türkische Frauen betreut, betonte, es gelte, den Fokus nicht auf die Defizite, sondern auf die Stärken der Kinder zu legen: „Ich musste mich sehr für mich selbst einsetzen, damit ich diesen Weg gehen konnte.“

Songül Uzun, selbstständige Hebamme und Mutter einer behinderten Tochter, wies auf die Unsicherheit im Umgang mit der Bürokratie hin, die zahlreiche Betroffene davon abhalte, Unterstützung in Anspruch zu nehmen. Neben sozialer Tabuisierung und Sprachbarrieren spiele auch die Angst, aufgrund einer Behinderung etwa Gelder gekürzt zu bekommen oder gar ausgewiesen zu werden, eine große Rolle – vor allem bei Geflüchteten.