Konzert Kantorei entdeckt „Christus das Kind“ neu
Wuppertal · Das Werk von Frank Schneider galt lange als verschollen. Jetzt wurde es erneut aufgeführt.
Berühmte Komponisten wie Johann Sebastian Bach, Wolfgang Amadeus Mozart oder Johannes Brahms kennt jeder. Nächstes Jahr kommt man nicht um Ludwig van Beethoven herum, wenn sein 250. Geburtstag gefeiert wird. Die Musikwirtschaft freut sich über solche Größen und Jubiläen, füllen doch gerade sie die Kassen. Andererseits haben Musikwissenschaftler viel zu tun. Denn es gibt eine große Anzahl an Musikern, die teils zu Unrecht in Vergessenheit geraten sind und es wert sind, wiederentdeckt zu werden. Einer von ihnen ist Friedrich Schneider (1786-1853), der zu seinen Lebzeiten überregionales Ansehen genoss. Ihm widmete die Kantorei Barmen-Gemarke ihr Weihnachtskonzert im gut besuchten Kulturzentrum Immanuel, indem sie sein dreiteiliges Oratorium „Christus das Kind“ wieder zum Leben erweckte.
Kantorei beweist
große Ausdruckskraft
Komponisten sind arm dran, gerade wenn es um groß besetzte Werke geht. Oft bleibt es bei einer Uraufführung. Denn solche Aufführungen sind aufwändig, kosten Geld. Heute muss zudem Geld an die GEMA (Gesellschaft für musikalische Aufführungs- und mechanische Vervielfältigungsrechte) abgeführt werden. Bei Schneiders Opus für Chor, vier Solisten und Orchester sah es nicht anders aus. Vor 190 Jahren uraufgeführt, verschwand dieses Weihnachtsoratorium wie sein gesamtes umfangreiches Oeuvre bald nach seinem Tod in der Versenkung, bis auf sein Oratorium „Das Weltgericht“. Nun, nach mehr als 150 Jahren, erklang es wieder. Akribisch hatte es kurz zuvor ein Team um den Musikwissenschaftler Dominik Höink neu editiert.
Im Vergleich zu vielen anderen Werken dieser Gattung gibt es keinen Erzählstrang. Schneider fügte nur drei Rezitative ein. Die Jesus-Geschichte um die Verkündigung, Geburt, Flucht nach Ägypten und Rückkehr nach Israel wird nämlich aus einem betrachtenden Blickwinkel geschildert. Dabei liegt das größte Gewicht auf dem Chor, der in manche Rollen wie die der Engel, Propheten und des Volks schlüpft. Obwohl das Größenverhältnis zwischen männlichen und weiblichen Choristen noch nicht ausgewogen ist, konnte die Kantorei Barmen-Gemarke diese Partien dank ihrer großen Ausdruckskraft anschaulich vermitteln.
Hinzu gesellten sich Sopranistin Dorothea Brandt als Maria, Altistin Roksolana Chraniuk als Erzengel Gabriel, Tenor Leonhard Reso (ganz kurzfristig für den erkrankten Dominik Wortig eingesprungen) und Bass Georg Streuber. Ihre Arien, Terzette und das Quartett sangen sie mit und ohne Instrumentalbegleitung sehr ergreifend.
Sensibel und mitatmend wurden Chor und Solisten von der Kammerphilharmonie Wuppertal mit Werner Dickel als Konzertmeister begleitet. Dabei lotste Alexander Lüken mit seinem präzisen Dirigat zuverlässig durch die Partitur.
Ausgiebiger Schlussapplaus war der Dank für eine gelungene Erstaufführung nach eineinhalb Jahrhunderten über die nun nicht mehr verschollene Vertonung über die Geburt Christi, deren eingängige und gehaltvolle Musik mit leichten Anklängen an Georg Friedrich Händel und Joseph Haydn hoffentlich wieder ins Konzertleben finden wird.