Katholische Eheberatung: „Wir nehmen Beziehungen ernst“
Richard Jost, Leiter der katholischen Familienberatung, über Rat und Hilfe gestern und heute.
Herr Jost, wie fromm muss ich sein, um zu Ihnen kommen zu dürfen?
Richard Jost (lacht): Sie brauchen überhaupt nicht fromm zu sein: Wir beraten unabhängig von Glaube, Konfession, Geschlecht oder Herkunft.
Das war vor 60 Jahren doch sicher anders, oder?
Jost: Auch damals wurde schon konfessionsübergreifend beraten. Aber zu Beginn waren 80 Prozent der Ratsuchenden Katholiken. Heute beraten wir viel mehr Paare als früher - aber mehr als 60 Prozent von ihnen haben eine andere Konfessionszugehörigkeit oder gehören keiner Glaubensgemeinschaft an.
Wie finden die Ratsuchenden zu Ihnen?
Jost: Viele kommen auf persönliche Empfehlung, werden von anderen Fachleuten an uns verwiesen oder finden uns über das Internet. Seit einigen Jahren beraten wir übrigens auch online.
1953 war es vermutlich noch nicht selbstverständlich, als Ehepaar externen Rat zu suchen?
Jost: Die Wuppertaler Einrichtung gehörte zu den ersten Beratungsstellen im Erzbistum Köln. Hier hat sich 1953 der Katholische Deutsche Frauenbund für die Gründung der Eheberatung eingesetzt. Das waren engagierte Frauen, die die Not der Zeit gesehen und gehandelt haben. Die erste Beraterin in Wuppertal war Dr. Helma Boxberg, eine Juristin und Jugendfürsorgerin.
Wie war die Beratung früher, wie ist sie heute?
Jost: Viele Konflikte sind heute noch dieselben wie vor 60 Jahren, im Mittelpunkt stehen nach wie vor Themen wie Beziehung, Bindung, Nähe und Intimität - sexuelle wie emotionale. Viele Partnerschaften stehen heute vor zusätzlichen Herausforderungen: Belastungen aus der Arbeitswelt, zunehmende Mobilität, die digitale Revolution — das geht nicht spurlos an den Familien vorüber und erfordert von uns Beratern ein hohes Maß an Professionalität. Zu Beginn waren es vor allem die Frauen, die bei Eheproblemen Hilfe suchten. Heute kommen mehrheitlich Paare zu uns, darunter viele Patchwork-Familien.
Welche Rolle spielt der Glaube in der Beratung?
Jost: Für mich als Berater eine große, und natürlich freue ich mich, wenn durch unsere Arbeit Paare ihre Krise überwinden und ihre Beziehung konstruktiv gestalten. Doch letztendlich zählt immer die persönliche Entscheidung.
Und warum sollte man eine katholische Beratungsstelle aufsuchen?
Jost (schmunzelt): Das lässt sich mit einer Anekdote anschaulich beantworten: Vor Jahren kam ein homosexuelles Paar zu uns. Auf die Frage, warum sie eine katholische Eheberatung gewählt haben, entgegneten die beiden: ‘Weil hier Beziehungen ernst genommen werden.“