Kinderhospiz: Todkrank – aber mitten im Leben

Die vierjährige Anna leidet an einer seltenen Stoffwechselkrankheit und wird vom Kinderhospiz betreut. Die Hospizarbeit besteht vor allem darin, die Familien im Umgang mit Behörden zu unterstützen.

Wuppertal. Mit der Geburt ihrer Tochter Anna haben Sandra und Timm Franzen gelernt, nur noch von einem Moment zum nächsten zu planen. Denn Anna ist krank, todkrank. "Wir gehen Probleme an, wenn sie da sind. Es macht keinen Sinn zu überlegen, was irgendwann einmal sein könnte", sagt Timm Franzen. Seine Tochter Anna ist eines von 21 Kindern, die vom Kinderhospiz ambulant betreut werden.

Die Krankheit ist immer präsent: Denn jeder Anfall könnte ihr letzter sein. 20 bis 30 Prozent der GlykoKids sterben im Kleinkindalter. "Die Angst ist allgegenwärtig. Es gibt Situationen, in denen wir uns konkret mit dem Tod auseinander setzten", sagt Timm Franzen.

Obwohl Anna, wenn sie gerade keinen Infekt hat, stundenweise in einen integrativen Kindergarten geht, kennen die Franzens kein sorgenfreies Familienleben: "Als Anna ein Baby war, waren wir mal im Autokino", antwortet ihr Vater fast beschämt auf die Frage, wann das Paar zuletzt etwas unternommen habe. Einen Babysitter zu finden, ist so gut wie unmöglich. Freunde scheuen die Verantwortung, zu groß ist die Sorge der Eltern.

Seit Februar betreuen die Ehrenamtlichen Petra Bruch und Doris Koch die Familie. Sie gehen mit Anna spazieren oder spielen mit ihr. Manchmal hören sie auch nur zu: "Viele Paare geraten in totale Isolation. Wir bringen ein Stück Leben und Außenwelt in die Familien", sagt Bruch.

Auch Bruchs Umfeld habe teilweise mit Unverständnis reagiert: ",Warum tust Du Dir das nur an, Dich mit sterbenden Kindern zu beschäftigen?’ - diese Frage habe ich oft gehört". Anfängliche Bedenken habe Anna geradezu weggewischt: " Sie strahlt eine unheimliche Föhlichkeit aus. Ich habe sie noch nie mit einem Gefühl der Beklemmung oder Trauer verlassen."

Dass die Sterbebegleitung von Kindern nicht mit der von Erwachsenen zu vergleichen ist, weiß auch Silke Kirchmann, Leiterin des Hospizdienstes der Caritas: "Kinder stehen bis zum Schluss im Leben. Es gibt nicht diese tiefgreifenden Gespräche wie in der Erwachsenenbegleitung."

Unter den Familien, die das Kinderhospiz betreut, nehmen die Franzens eine Sonderstellung ein - nicht nur wirtschaftlich: "Zu 90 Prozent haben wir mit Familien zu tun, die in Not leben und der Situation nicht gewachsen sind", sagt Kirchmann. Oftmals leide der Beruf unter der Belastung, viele Beziehungen würden auseinanderbrechen.

Ein Großteil der Hospizarbeit besteht darin, die Familien im Umgang mit Behörden zu unterstützen oder Zuschüsse zu beantragen. So erinnert sich Kirchmann an die alleinerziehende Mutter eines vierjährigen Mädchens mit einem Hirntumor, die von Hartz-IV lebte. "Sie wußte nicht, dass sie Pflegegeld beantragen konnte oder dass die Spezialwindeln für ihre Tochter von der Kasse übernommen wurde. Die Frau wäre zusammengeklappt, wenn wir nicht geholfen hätten."

Betroffene Laut Kinderhospizverein kommen auf 50 000 Einwohner 13 sterbenskranke Kinder. 21 Kinder und 54 Erwachsene werden im Bergischen vom Hospizdienst der Caritas betreut.

Kinderhospiz Seit der Gründung im Januar ebben die Anfragen nicht ab. Der Dienst schließt eine Versorgungslücke. Es gibt nur in Olpe und Düsseldorf ein Angebot für Kinder.

Aufgaben Neben der Unterstützung bei Behördengängen berät der Dienst auch über Ärztenund betreut Geschwisterkinder. Die Betreuung ist kostenlos.

Dauer Dauert die Betreuung der Erwachsenen im Durchschnitt drei Wochen, werden Kinder häufig zwischen zwei und drei Jahren begleitet.

Trauergruppe Im August wird eine Kinder-Trauergruppe gegründet, ein Elterncafé ist geplant.

Kurse Im August 2007 und im Februar 2008 starten Kurse zum Kinderhospizhelfer. Die Ausbildung dauert 200 Stunden. Infos: Caritas-Hospizdienst, Kolpingstraße 13, Telefon 389 03 69.