Kolumne Kultur und Rassismus

Wuppertal · Es gibt genügend Platz für alle Einflüsse. Kolumnistin Meieli Borowsky mit einem Plädoyer gegen Rassismus und für kulturelle Vielfalt.

Meieli Borowsky spricht über Kultur und Rassismus.

Foto: Johann Diwiwi

Wer erinnert sich an die Epoche der Aufklärung und an Rassenlehre? Wer weiß, wie ausschlaggebend deutsche Philosophen wie Kant und Hegel diese vorangetrieben haben? Und wem ist bewusst, wie Menschen aufgrund ihrer Hautfarbe, ihres Nicht-weiß-Seins, entmenschlicht und versklavt wurden? Manche sagen jetzt: „Das ist doch Geschichte, was hat das mit uns zu tun?” Zur Erklärung möchte ich ausholen, bis zur Epoche der „Aufklärung“. Diese Epoche von etwa 1650 bis circa 1820 bedeutete für viele Freiheit. Durch Vernunft als universelle Urteilsinstanz befreite man sich von traditionellen, starren Ideologien und Vorstellungen. Politisch entwickelten sich Bürgerrechte und allgemeine Menschenrechte. Einige Denker der Aufklärung legten, beeinflusst durch die bereits existierenden wirtschaftlichen Machtstrukturen des transatlantischen Handels mit versklavten Menschen, die Legitimation für diese oft schon Jahrhunderte andauernde Realität. Der europäisch-freiheitliche Gedanke von Menschenrechten galt eben nicht für alle Menschen. Die pseudowissenschaftliche „Rassenlehre“, die Menschen in verschiedene Rassen kategorisierte, wobei weiße Menschen die Spitze der Zivilisation anführen würden und Schwarze und Indigene als geringer entwickelt galten, hat Auswirkungen bis in die Gegenwart. Die damit einhergehende Idee, schwarze Menschen hätten eine mindere Intelligenz und lebten in Kulturlosigkeit ohne menschliche Würde, führte in der weißen Gesellschaft zu einem bis heute spürbaren Überlegenheitsgefühl. Angefangen bei Vorurteilen über Fremdzuschreibungen, die verletzend und traumatisierend sein können, bis hin zu gewaltvollen verbalen und physischen Übergriffen.

Wir können heute sagen, dass solche Pseudowissenschaften widerlegt sind. Aber wieso gibt es dann immer noch Rassismus? Dieser hat viele Gesichter und zeigt sich in unterschiedlichen Formen. Es geht aber immer um die Sicherung von Machtverhältnissen, um Gruppenzugehörigkeit und das eigene Aufwerten durch ein Abwerten der vermeintlich Anderen. Wenn also Hautfarbe keine Rolle mehr spielt, dann braucht es eine Alternative – da tritt die Kultur in Erscheinung. Wir unterscheiden angeblich nicht mehr aufgrund der Hautfarbe, sondern anhand kultureller Unterschiede, die vorgeblich nicht zu „unserer“ Kultur passen. Der Deckmantel hat seine Farbe geändert, aber was sich darunter verbirgt, ist gleichgeblieben. Vermeintliche kulturelle Andersartigkeit als Grund für Ausgrenzung, Ungleichbehandlung, kurz: Diskriminierung ist nichts anderes als Menschen aufgrund ihrer Hautfarbe zu klassifizieren.

Der Diskurs hat sich verschoben, sodass es plötzlich im Mainstream en vogue ist, über „gute“ und „schlechte“ Flüchtlinge zu debattieren. Auffällig ist dabei nur, dass die „schlechten“ Flüchtlinge eine nicht-weiße Hautfarbe haben. Kultur ist ein Begriff, der Vielfältigkeit inkludiert und niemanden exkludiert. Menschen sind und waren schon immer verschieden; so hat jede Familie eine eigene kleine Kultur, die sich von anderen Familien unterscheidet, und jede Stadt hat kulturelle Eigenheiten, die sich beispielsweise in der Sprache manifestieren. Bei Regionen oder anderen Staaten sprechen wir von kulturellen Eigenheiten. Ob diese tatsächlich greifbar oder zutreffend sind, wage ich zu bezweifeln.

Kultur ist nichts in Stein Gemeißeltes, Unveränderbares. Wir Menschen, unsere Eigenheiten und unser gesellschaftliches aufeinander Einwirken, wir alle schaffen Kultur. Somit befindet sich Kultur stetig im Wandel und hat daher genügend Platz für alle Einflüsse, die eine Gesellschaft beziehungsweise deren Menschen zu bieten haben.