Kultur Antisemitische Klischees in einem bekannten Jugendbuch

Ulrike Schrader unterzieht „Damals war es Friedrich“ einer kritischen Analyse – das Buch wird noch heute im Schulunterricht genutzt.

Ulrike Schrader hat einen Vortrag zu Antisemitismus im Deutschunterricht gehalten.

Foto: Fischer, Andreas H503840

Mit ihrer Kritik wagt sich Ulrike Schrader an ein Schwergewicht unter den deutschen Jugendbüchern heran. Bei ihrem Vortrag in der Begegnungsstätte Alte Synagoge analysierte die Leiterin der Einrichtung am Dienstagabend das Buch „Damals war es Friedrich“ von Hans Peter Richter, das die Judenverfolgung im Nationalsozialismus zum Thema hat.

Dabei strotzt es aber nach ihrer Ansicht selbst von antijüdischen Klischees. Es ist ein Buch, das 1961 erschien, eine Millionenauflage erreicht hat und in zahlreiche Sprachen übersetzt worden ist. In diesem Jahr gab es die 69. Auflage.

Das Buch gilt als Bestseller und hat sich im Deutschunterricht – auch fast 60 Jahre nach seinem Erscheinen – etabliert. Zumeist wird es in den sechsten und siebten Klassen gelesen. Für Schrader, die selbst promovierte Literaturwissenschaftlerin ist, ist dies angesichts der in dem Buch kolportierten Stereotypen von Juden und Unwahrheiten über das Judentum schlicht ein „Skandal“. Zudem sei der literarische Stil auch „nicht gut“.

Ausgrenzung der
Juden in Deutschland

Doch zunächst in die Beweisführung. „Damals war es Friedrich“ erzählt in 32 Kapiteln die Ausgrenzung und spätere Verfolgung der Juden in Deutschland zwischen 1925 und 1942. Dabei wählt es eine jüdische und eine deutsche Familie und deren jeweils gleichaltrige Jungen, um das Thema zu entwickeln.

Das namenlose Erzähler-Ich ist der deutsche Junge. Anhand mehrerer Textpassagen führt Schrader vor, wie „antisemitische Klischees“ in dem Text vermittelt werden. Diese Stereotype treten dabei subtil auf.

Da werden Juden von einem Lehrer als geldgierig und betrügerisch charakterisiert, als grundsätzlich wohlhabend und verschlagen, auch an erotischen Anspielungen fehlt es nicht. Zudem wird immer wieder das Bild vom auserwählten Volk bemüht, das sein Schicksal nun einmal zu tragen hat. Nach dem Motto: Die Juden sind selbst schuld an ihrem Los. Und weiter: Sie haben den Deutschen die Absolution dafür erteilt, dass sie sie verfolgen und in die Gaskammern geschickt haben. Diese Entlastung von den deutschen Verbrechen sei „auf jeder Seite zu spüren“, sagt Ulrike Schrader.

Umso erstaunlicher ist, dass das Buch nach wie vor einen so großen Erfolg im Schulunterricht hat. Bei einem bekannten Internetbuchhandel wird es mit viereinhalb von fünf möglichen Sternen rezensiert. Schrader will dem Autor Hans Peter Richter (1925-1993) – einem Psychologen und Soziologen – keinen Antisemitismus unterstellen, allerdings sei er eben ein „Kind seiner Zeit“ gewesen und habe mit dem Buch an entsprechenden „Entlastungsstrategien“ gestrickt.

Im Publikum des Vortrags finden sich einige Besucherinnen, die davon berichten, dass sie das Buch in der Schule selbst gelesen und einen positiven Eindruck davon gehabt hatten.

Ulrike Schrader kennt dieses Phänomen. Das Buch vermittle den Eindruck, dass man „sehr viel gelernt hat“, sagt Schrader. Im Grunde schreibe es aber nur antijüdische Klischees fort. Und in der Lehrerschaft stoße sie bei Gesprächen und mit der Aufforderung zur Absetzung des Buches regelmäßig auf „Widerstand“.