Christian Sturm: Aus der Kirche auf die Opernbühne

Eine Kirche in der Eifel war seine erste Bühne. Heute ist Christian Sturm Tenor an der Oper.

Wuppertal. Ob er aus einer traditionellen Opern-Familie stammt? Die Frage ist fast schon obligatorisch, wenn man herausfinden möchte, woher ein Tenor sein Taktgefühl hat. Umso verblüffender ist in diesem Fall die Antwort. „In meiner Familie hat keiner Musik gemacht“, erklärt Christian Sturm. „Niemand hat gesungen, und wir hatten auch kein Instrument zu Hause.“

Mit anderen Worten: Es waren nicht die besten Voraussetzungen für einen angehenden Opernsänger, unter denen Sturm in Andernach am Rhein groß geworden ist. Seit 2009 liegt sein Zuhause an der Wupper: Zurzeit sorgt das Ensemblemitglied der städtischen Bühnen mit dafür, dass „Die Fledermaus“ in Barmen über die Bühne geht.

In der Operette, die Johannes Weigand gerade erst im Opernhaus herausgebracht hat, spielt Sturm einen Gesangslehrer — natürlich drängt sich da die Frage auf, wo er selbst das Handwerk gelernt hat.

Die Antwort kann rein nachrichtlich formuliert werden: Sturm studierte Operngesang bei Daphne Evangelatos und Konzertgesang bei Christian Gerhaher an der Hochschule für Musik und Theater in München. 2007 beendete er seine Ausbildung — mit Auszeichnung. Auch an der Bayerischen Theaterakademie August Everding machte er sich „bühnenfit“.

Da ein Leben aber — neben allen Fakten — vor allem auch aus persönlichen Begegnungen, Erkenntnissen und Sehnsüchten besteht, war es bis zum Gesang eine weite Etappe: Sturm ging einen Umweg über Orgel und Klavier. Denn der Musiker, 1978 in Andernach geboren, wusste sich zu helfen, auch wenn zu Hause kein Instrument parat stand. „Die katholische Kirche war meine Bühne“, erzählt er. „Mit sechs Jahren habe ich dort an der Orgel gesessen, mit acht durfte ich kleine Orgelspiele vortragen.“ Die Augen glänzen noch heute. „Und wenn ich Klavier spielen wollte, bin ich einfach zu den Nachbarn gegangen.“

Was die Familie dazu sagte? „Meine Eltern waren immer stolz, haben mich aber nie bewusst ermutigt.“ Gestaunt hätten sie, als abzusehen war, dass der Sohn stundenlang am Klavier sitzt. „Ich wollte einfach Musik machen. Ich habe gespart und gespart — bis ich mir mein erstes Klavier kaufen konnte.“

Wenn Sturm erzählt, kann man stundenlang zuhören. Dass sein Beruf Berufung ist, spürt man in jeder Sekunde. Zunächst hat er vier Semester lang in Koblenz studiert — bis er merkte, dass Klaviere schön und gut sind, er aber noch viel lieber Opernsänger werden wollte. Da hatte er bereits Unterricht genommen und war im Theater Koblenz auch schon als Chorsänger aufgetreten. Wieder huscht ein smartes Lächeln über das Gesicht: „Als ich die verrückte Idee hatte, Gesang zu studieren, war ich ganz schön blauäugig und habe fürs Vorsingen äußerst schwere Literatur ausgesucht.“ Die Blauäugigkeit war von Erfolg gekrönt. „Fünf von 250 Bewerbern wurden genommen.“

Sturm war einer davon. In München, wo er bei hochkarätigen Klavierkonzerten als Notenumblätterer arbeitete und Blut spendete, um sein Studium zu finanzieren, hat er nach wie vor einen Wohnsitz. „Als Theatermensch“, sagt der Pendler, „ist man im Theater zu Hause.“ Ob man nun aus einer Opern-Familie stammt oder nicht...