Interview Christmann will im Team des Tanztheater Pina Bausch Vertrauen aufbauen

Wuppertal · Interview Der neue Geschäftsführer des Tanztheaters Pina Bausch über die Zusammenarbeit mit Intendantin Bettina Wagner-Bergelt.

Roger Christmann hat viel zu tun in seinem neuen Job als kaufmännischer Leiter des Tanztheaters.

Foto: Schwartz, Anna (as)

Seit Dezember ist er nun in Wuppertal. Hat sich mit den Menschen und der Situation vertraut gemacht. Roger Christmann, Geschäftsführer des Tanztheaters Pina Bausch für mindestens zweieinhalb Jahre, ist eher zurückhaltend und ruhig. Er wägt seine Worte ab, drängt sich nicht in den Vordergrund. Der 47-jährige Eupener setzt auf Teamarbeit, schätzt den Diskurs, der solange geübt wird, bis eine Einigung steht. Im Gespräch mit der WZ spricht er über seine Ziele, die er in Wuppertal anstrebt, über die Zusammenarbeit mit Intendantin Bettina Wagner-Bergelt und die Situation im Tanztheater.

Ist Wuppertal schon länger ein Begriff für Sie?

Roger Christmann: Ja, schon wegen Pina Bausch. Mit der man unweigerlich zu tun hat, wenn man im Tanztheaterbereich arbeitet. Außerdem habe ich Anfang letzten Jahres an einer Arbeitssitzung zum Pina-Bausch-Zentrum teilgenommen. Christian Koch, mit dem ich beim Theater der Welt 2010 in Essen und Mülheim an der Ruhr zusammengearbeitet habe, als er noch kaufmännischer Geschäftsführer vom Pact Zollverein war, hatte mich angefragt. Er wollte eine externe Sicht haben. Ich habe von daher den einen oder anderen Kontakt zur Pina-Bausch-Stiftung.

Wie wichtig ist das Pina-Bausch-Zentrum?

Christmann: Es ist ein bemerkenswerter Beschluss der Stadt und des Landes, das Theater in ein Pina-Bausch-Zentrum umzubauen. Ich halte das für sehr mutig und auch sehr logisch, weil die Beziehung zwischen Pina Bausch und Wuppertal dadurch auf eine ganz andere Ebene gestellt wird. Es ist ein wahnsinnig spannendes Projekt. Ich finde es großartig und symbolisch bedeutsam, dass der Stadtrat das einstimmig beschlossen hat.

Wie geht es jetzt weiter?

Christmann: Jetzt muss es auch in der Vorbereitung mit Leben gefüllt werden. Es gibt ein erstes Konzept von Stefan Hilterhaus, das sehr schlüssig ist, aber auch logischerweise recht vage. In den nächsten zwei Jahren muss da auch noch inhaltlich strukturell weiter gearbeitet werden. Das Tanztheater spielt dabei eine sehr wichtige Rolle, unsere Intendantin Bettina Wagner-Bergelt ist von der Stadt beauftragt, zukunftsfähige inhaltliche Konzepte zu erarbeiten und auch ich bin als kaufmännischer Geschäftsführer intensiv damit beschäftigt. Bislang haben wir an einigen Sitzungen teilgenommen. Als nächstes steht die Struktur an, die das Projekt die nächsten Jahre begleiten und koordinieren soll, damit eine konkrete inhaltliche Arbeit möglich wird.

Welche Ziele haben Sie sich fürs Tanztheater gesetzt?

Christmann: Zunächst müssen Ruhe und Vertrauen geschaffen werden. Das hat in den letzten anderthalb Jahren schon gelitten. Man spürt eine gewisse Unsicherheit bei Mitarbeitern und Tänzern. Ich möchte Verlässlichkeit auf eine gemeinsame Vision zwischen kaufmännischer und künstlerischer Leitung hineinbringen. Ich glaube, das ist das Dringendste. Und gerade die kaufmännische, organisatorische Geschäftsführung muss sich damit beschäftigen, wie die Organisation Tanztheater Wuppertal funktionieren soll. Bis zum Tod von Pina Bausch war klar, wer die Entscheidungen traf. Nun brauchen wir Strukturen und Prozesse, um mit der veränderten Situation umzugehen. Das ist eine spannende Herausforderung, weil es dafür keine Vorbilder gibt. Da ist in den letzten Jahren viel probiert worden – mit interessanten Versuchen, aber ohne langfristig funktionierende Lösungen. Bettina Wagner-Bergelt und ich nutzen unsere Zeit, um zusammen mit Mitarbeitern und Beirat eine funktionierende Struktur zu finden. Dabei geht es auch darum, Mitarbeiter und Tänzer bei Entscheidungen einzubeziehen, in künstlerische Entscheidungen zu involvieren. Des weiteren gilt es, das Tanztheater auf das Pina-Bausch-Zentrum vorzubereiten. Schließlich muss die Veränderung im Ensemble gestaltet werden. Es gibt Tänzer, die schon sehr lange dabei sind und die wahrscheinlich in zehn Jahren nicht mehr auf der Bühne stehen. Dieser Prozess muss aktiv und mit ihnen gemeinsam gestaltet werden.

Sie treten bewusst als Führungsteam auf. Vielleicht auch in Abgrenzung zu Ihren Vorgängern?

Christmann: Nein, aus eigenen früheren Erfahrungen. Ich habe immer im Duo und gleichberechtigt mit der künstlerischen Leitung gearbeitet. Das hält auch Bettina Wagner-Bergelt für die passendere Herangehensweise für eine Kulturorganisation und sie hat damit auch in München 18 Jahre lang gute Ergebnisse erzielt. Ich finde es wahnsinnig bereichernd, mit ihr gemeinsam über die wichtigen Fragen nachzudenken, diese aus künstlerischem und organisatorisch-finanziellem Blickwinkel zu beleuchten. Natürlich teilt man dann die Arbeit auf, in einen künstlerischen und einen betriebswirtschaftlichen Teil. Aber es ist wichtig, dass die Zielsetzung klar ist und man eine gemeinsame Vision hat. Bei einer Kulturorganisation ergibt es wenig Sinn, wenn ein kaufmännischer Geschäftsführer die Entscheidungen trifft, weil der inhaltlich-künstlerische Aspekt der wichtigste ist.

Was passiert bei unterschiedlichen Meinungen?

Christmann: Dann diskutieren wir so lange, bis wir uns einig sind. Das habe ich auch bei meinen früheren Arbeiten so erlebt – beispielsweise in den etwa acht Jahren mit Frie Leysen (u.a. Festival-Chefin von Theater der Welt Essen und Begründerin des Festivals Beaux Arts, Red.). Wir haben auch gestritten und gerungen, aber wir haben uns geeinigt, bevor wir ins Team und in die Öffentlichkeit gingen. Meistens kamen auch gute Entscheidungen heraus.

Wie ist das hier in Wuppertal?

Christmann: Das funktioniert auch mit Bettina Wagner-Bergelt gut und macht Spaß. Das war für mich anfangs das größte Risiko. Weil wir uns erst hier kennengelernt haben. Aber in den ersten Gesprächen wurde schnell klar, dass wir eine vergleichbare Philosophie haben, was das Arbeiten in Kulturorganisationen angeht. Ein Glücksfall. Man könnte natürlich auch sagen, dass die Stadt uns sehr gut ausgesucht hat.

Sie sind jetzt einige Wochen hier. Hat sich die Situation im Tanztheater schon gebessert?

Christmann: Ja, das hat es, jedenfalls wenn wir den Mitarbeitern trauen dürfen, die wieder gern und mit großem Enthusiasmus mit uns zusammen arbeiten, auch bei den Tänzern habe ich den Eindruck, dass sie sich der neuen Situation stellen. Wahrscheinlich gibt es keine einhellige Meinung. Man kann Vertrauen schnell zerstören, es aufzubauen, braucht viel Zeit. Wir möchten da im Laufe des ersten Jahres wichtige Schritte machen. Wenn das gelingt, würde ich mich freuen.

Sie waren vor kurzem auf der Internationalen Tourismusbörse in Berlin (ITB).

Christmann: Ja, gemeinsam mit unseren Wuppertaler Kulturpartnern. Die Frage kam auf, inwieweit wir zusammen mit der Stadt Wuppertal auftreten können. International ist Wuppertal doch auch wegen der Schwebebahn und Pina Bausch bekannt. Wichtiger als mit Pina Bausch für sich zu werben, ist natürlich die Entscheidung, das Pina-Bausch-Zentrum zu schaffen. Um Touristen anzulocken, sind die Kulturorganisationen aber schon ein Pfund.

Was bedeutet Ihnen Pina Bausch?

Christmann: Bislang habe ich vor allem viel von vielen Künstlern gesehen, die maßgeblich von ihr beeinflusst wurden. Und ich könnte hier inhaltlich natürlich nicht arbeiten, wenn mich ihre Stücke nicht interessieren würden. Ich bin als Betriebswirtler bewusst in die Kultur gegangen und ich habe mich bewusst dafür entschieden, beim Tanztheater Pina Bausch zu arbeiten.

Wie weit ist der Spielplan, gerade im Jubiläumsjahr 2019, gediehen?

Christmann: Wir arbeiten gerade noch an der Spielzeit 2019/20, weil da im letzten Jahr viel liegen geblieben ist. Es gibt einige ganz entscheidende neue Ansätze in vielen verschiedenen Bereichen und Themen, und das werden wir demnächst auch in der PK gemeinsam mit der Pina-Bausch-Stiftung im Mai vorstellen.