Der König wird endlich Mensch

Die Oper „Król Roger“ spielt im Mittelalter, ist psychologisch jedoch ganz aktuell.

Foto: Markus Meyer

Wuppertal. Am Smstag starten die Wuppertaler Bühnen in ihre letzte konzentrierte Aufführungs-Reihe — fünf Vorstellungen in zwei Wochen — mit der Oper „König Roger“ (Król Roger) von Karol Szymanowski. Die WZ sprach mit dem Regisseur Jakob Peters-Messer.

Herr Peters-Messer, was hat uns ein normannischer König aus dem frühen Mittelalter heute noch zu sagen?

Jakob Peters-Messer: Eigentlich kann das, was dem König passiert, jedem passieren: Man gerät in eine schwere persönliche Krise, aus der man sich befreien kann und die einen weiter bringt. Es ist eher die psychologische Seite der Geschichte, die mich interessiert.

Wie legen Sie in Ihrer Inszenierung diese psychologische Zeichnung an?

Peters-Messer: Wir schauen der Demontage eines Königs zu. Erst verliert er die Kontrolle über sein Volk, dann über sich selbst. Ein schwieriger Prozess der Selbsterkenntnis, an dessen Ende dennoch Heilung möglich ist. Der König muss sich von der Macht verabschieden, um Mensch werden zu können.

Welche Figuren handeln außerdem?

Peters-Messer: Der Hirte, übrigens grandios gesungen von dem jungen polnischen Tenor Rafal Bartminski, bringt das Chaos in König Rogers Leben. Er ist zunächst der neue Prophet, der Liebe predigt, wandelt sich aber zum Demagogen, dem die Massen willenlos folgen. Hier spürt man die Gefahr totalitärer Systeme, die der Komponist Ende der 20er Jahre sicher wahrgenommen hat. Rogers Frau Roxan verfällt dem Hirten, der sich später als Dionysos, der Gott des Rausches, outet. Nur Edrisi, der Berater und Arzt des Königs, begleitet ihn auf dem Weg zu sich selbst.

Die Musik Szymanowskis reicht von strengen Kirchentonarten über Volksmusiken und orientalische Weisen bis hin zu Chromatik und Bitonalität. Kann man das in der Führung der Figuren verfolgen?

Peters-Messer: Ja, die Musik ist sehr bildhaft. Deshalb ist der erste Akt in der Kirche eher statisch oder formal angeordnet. Hier ist das Thema „Stehen“. Das Thema im orientalischen zweiten Akt ist „Kriechen“. Alles ist in Bewegung, in Auflösung begriffen. Der letzte Akt, in dem der Hirte als Dionysos erscheint, ist eher eine rituelle Feier oder ein Opfer.

Wie fängt das Bühnenbild den Selbstfindungs-Trip des Königs ein?

Peters-Messer: Die Bühne ist ein verspiegeltes Oktogon, das wie ein Kaleidoskop funktioniert, in dem immer wieder Bilder erscheinen. Die Formen und Figuren brechen sich, lösen sich auf. Am Schluss lässt der König diesen Raum der Selbstbespiegelungen und damit sein Trauma hinter sich und ist bereit für einen Neuanfang. Mit offenem Ausgang.

Die Oper benötigt eine Menge Chorsänger. Welche Rollen haben sie?

Peters-Messer: Opernchor, Extra-Chor und die Wuppertaler Kurrende sind zum Beispiel bei den orthodoxen Kirchengesängen im ersten Akt gefordert. Die Oper ist eben auch eine monumentale Chor-Oper. Die Massenwirkung ist typisch für die 20er und 30er Jahre.