Der Traum vom eigenen Ensemble
Choreograph Mark Sieczkarek fühlt sich in Wuppertal wohl. Der einstige Pina-Bausch-Tänzer spricht über seine Pläne.
Herr Sieczkarek, Sie waren viele Jahre lang Tänzer bei Pina Bausch, anschließend auf verschiedenen Bühnen im Einsatz. Vor vier Jahren sind Sie wieder nach Wuppertal zurückgekehrt. Was hat Sie zurück gezogen?
Mark Sieczkarek: Ich habe viele Freunde in Wuppertal und hier immer wieder verschiedene Tanzprojekte durchgeführt. In der Werkstatt am Platz der Republik habe ich lange unterrichtet. Vor ein paar Jahren habe ich mich entschieden, dass es besser ist, wenn ich auch in Wuppertal wohne. Ich habe in den vergangenen Jahren sehr viele Reisen unternommen und war durch meine Arbeit sehr viel im Ausland. Ich kooperiere weiterhin mit der Essener Folkwang Universität, wo ich ab Oktober an der Wiederaufnahme von „Drops of Rain in Perfekt Days of June“ und an einem neuen Stück mit dem Folkwang Tanzstudio arbeite. Eigentlich habe ich immer zwischen Essen und Wuppertal gependelt.
Sie sind seit mehr als 20 Jahren frei schaffender Künstler. Was treibt Sie an?
Sieczkarek: Der Tanz! Von Anfang an gehörte das Choreographieren zu meinem Leben. Schon als Kind habe ich Stücke gemacht. Ich hatte das Glück, dass ich meine Berufung sehr früh gefunden habe. Kreativ zu sein, ist für mich ein ganz normaler Teil meines Lebens.
Was waren die bewegendsten Momente Ihrer Karriere?
Sieczkarek: Die zahlreichen Begegnungen mit Menschen aus vielen Ländern und besonders die dadurch entstandenen Erfahrungen mit dem Tanz.
Wie werden Sie Pina Bausch in Erinnerung behalten?
Sieczkarek: Als große Künstlerin, Meisterin und Freundin.
In diesem Jahr haben Sie viel vor. Worauf darf sich Ihr Publikum als nächstes freuen?
Sieczkarek: Momentan arbeite ich an einem neuen Solo, „In Person“, das ich selbst tanze. Ich habe meine Lust auf das Tanzen in Bewegungen ausgedrückt und meine persönliche Weltsicht im Stück zum Ausdruck gebracht. Die Musik geht in Richtung Bossa Nova, und so wirkt das Stück sehr romantisch.
Wie sehr wird Ihre Planung von der Tatsache beeinflusst, dass die Wuppertaler Bühnen-Landschaft derzeit stark im Umbruch ist?
Sieczkarek: Als frei schaffender Künstler hat man die Erfahrungen, dass es nicht leicht ist, schon oft gemacht. In manchen Momenten muss man aber einfach vorwärts schauen und positiv weiter machen. Ich denke, dass der Moment schwierig ist, aber ein Ende kann auch ein neuer Anfang sein. Es ist wirklich schade, dass Wuppertal als Tanzstadt immer noch kein eigenes Tanzhaus hat, aber vielleicht kommt es noch.
Sie entwickeln nicht nur Choreographien, sondern auch Bühnenbilder und Kostüme. Was entsteht jeweils zuerst?
Sieczkarek: Das ist unterschiedlich. Die Idee, selbst Bühnenbilder und Kostüme zu machen, kam auf, weil ich spektakuläre oder einfach schöne Sachen auf der Bühne zeigen wollte — und das mit wenig Geld. Aber dadurch habe ich herausgefunden, dass die Stücke meine eigene Handschrift haben und als eine Art Gesamtkunstwerk präsentiert werden können. Die Bühnenbilder und Kostüme werden stets ab dem ersten Probentag entwickelt. Normalerweise fange ich ein neues Projekt ohne große Vorbereitungen an, weil die Stücke immer für die Tänzer und mit den Tänzern gemacht werden. Die Ideen entstehen aus der täglichen Suche heraus — und durch viel Ausprobieren. Zuletzt habe ich drei bis fünf Stücke pro Jahr herausgebracht. Abhängig von den Stücken arbeite ich manchmal auch mit Kostümbildnerinnen zusammen.
Welchen Traum haben Sie noch?
Sieczkarek: Ich habe immer noch den Traum, Unterstützung zu bekommen — für ein festes Ensemble, einen Probenraum und einen Ort, wo wir regelmäßig Vorstellungen geben können, wo wir feste Strukturen haben und wo andere Träume möglich sind. Es gibt auch ein paar Musiker, mit denen ich gern arbeiten würde — zum Beispiel Fado-Sänger Antonio Zambujo aus Portugal, Antony Hegarty aus New York oder Caetano Veloso aus Brasilien.
Sie stammen ursprünglich aus Inverness, der nördlichsten Stadt in Großbritannien. Fühlen Sie sich heute mehr als Brite oder als Wuppertaler?
Sieczkarek: Meine Großeltern väterlicher Seite kamen aus Polen und haben eine kurze Zeit lang in Herne gelebt. Sie sind danach nach Frankreich gegangen, wo mein Vater geboren wurde. Meine Mutter ist Schottin. Dass ich hier bin, finde ich nicht außergewöhnlich. Ich habe die Hälfte meines Lebens in Deutschland gelebt und deswegen würde ich sagen, dass ich mich halb deutsch fühle. Und obwohl ich gern zu Besuch in Schottland bin, liebe ich es sehr hier im Tal.