Ein Genuss für alle Sinne
Helmut Kiesewetter: Der ehemalige Lehrer liebt konkrete Bilder und das Organische. Heute feiert der Künstler seinen 60. Geburtstag.
Wuppertal. Die meisten kennen die zähe, weiße Flüssigkeit als Korrekturmittel für Schreibfehler. Helmut Kiesewetter, experimentierfreudiger Künstler, entdeckte das Elixier Mitte der 80er Jahre für seine Arbeit.
"Ein Bild war mir zu dunkel geraten, das Ölfarbenweiß deckte nicht - und kurz entschlossen griff ich zum Tipp-Ex", erinnert er sich. Begeistert stellte er fest: "Das ist ein tolles Material."
Neben dieser zweckentfremdeten Farbe stieß der Wuppertaler, 1977 zum Meisterschüler bei Beate Schiff an der Düsseldorfer Kunstakademie ernannt, später auf Teer, Pech, Eichenmoos, Tonka, Jodtinkturen und duftende Essenzen für sich und seine Malerei.
Das Ergebnis sind keine Bilder eines Alchemisten, sondern schillernde Werke, mit denen der gebürtige Thüringer neue Wege gefunden hat, um von der Realität zu erzählen.
Der Fantasie will er Raum geben, Assoziationen anstoßen: "Unsere Welt ist voll von konkreten, gegenständlichen Bildern", sagt Kiesewetter, der heute seinen 60. Geburtstag feiert. Kiesewetter ermöglicht dem Betrachter einen Einstieg, der "verhältnismäßig offen" ist und versucht, alle Sinne anzusprechen.
Als Neunjähriger bekam er von seinem Onkel Fritz eine Kamera geschenkt - das war die Initialzündung: "Mit dem Ding habe ich viel ausprobiert." Parallel dazu begann er, "die Wirklichkeit zu übersetzen", zu malen und "geistige Räume" zu schaffen.
Als examinierter Lehrer für Kunst und Philosophie arbeitete er ab 1981 am Carl-Duisberg-Gymnasium in Wuppertal. Seine Augen leuchten, wenn er von dieser Zeit, der Gründung der Schüler-Foto-AG und Ausstellungen berichtet: "Das war für die Schüler eine schöne Sache, ihre Fotos mal zeigen zu können."
Offensichtlich war es so toll, dass er zu einigen lange nach der Schulzeit noch freundschaftlichen Kontakt pflegt oder gar gemeinsame Projekte realisiert. Wie mit Roland Brus, inzwischen Regisseur, mit dem er das Obdachlosentheater "Ratten" an der Volksbühne, Berlin, initiierte und später "Woyzeck" inszenierte.
Der Lebensabschnitt als Lehrer ging durch die krankheitsbedingte Frühpensionierung zu Ende: "Ich kann nicht leugnen, das mir das fehlt."
Natürlich, seine Zeit kann er jetzt optimal für seine Malerei, abstrakte Fotografie und Skulpturen nutzen. Jeden Sommer verbringt er mehrere Monate auf La Palma ("da ist Licht, das viel mehr Farben sichtbar macht") - am liebsten mit Lebensgefährtin Petra ("wir sind seit 37 Jahren ohne Heirat glücklich").
Und natürlich hat Kiesewetter auch dort Malmaterial entdeckt: Conchinilla tintórea, die so genannte Koschenille-Laus. Organisches liebt der Künstler eben - und die Behauptung des Organischen in der technisierten Welt ist sein ewiges Thema.