Kultur Ein goldener Speer beherrscht den Ausstellungsraum
Die Ausstellung ist noch bis 19. September zu sehen.
Goldglänzendes Messing auf fast zwölf Metern Länge – mit ihrem „Speer“ hat Künstlerin Julia Wilczewski ein raumgreifendes Modell geschaffen. Es beherrscht den Korridor des Neuen Kunstvereins, in dem die Düsseldorferin noch bis zum 19. September ausstellt. Danach soll der Speer aber nicht im Guinness Buch der Rekorde landen. Wilczewski zielt ab auf 2021, den 100. Geburtstag von Joseph Beuys. Im Jubiläumsjahr, kündigt sie an, wird ihr Werk vor der Kunstakademie Düsseldorf stehen und von dort aus „ins Unbekannte fliegen“.
Die Form des Speers kommt der Künstlerin, die an der Kunstakademie zu einem philosophischen Arbeitskreis gehört, nicht nur als „Flugobjekt für Ideen“ entgegen. Sie entspricht auch ihrem Anliegen, „nach dem Allerältesten und dem Künftigen zu suchen“. Die Überschneidung von Vergangenheit und Zukunft sieht der Besucher, wenn er durch die Sichtfenster der Speerspitze blickt. Die Innenräume haben Wilczewski und ihr Partner Herbert Willems bis ins feinste Detail modelliert.
Es gibt einen Hörsaal voller Ohrmuscheln, der aber auch das Parlament einer antiken Stadt sein könnte. Eine ebenso alterslose Bibliothek. Elemente wie Elefantenohren und Rochenflügel, die die Bücher beherbergen, bleiben rätselhaft. Das ist auch gut so, findet Kuratorin Marlene Baum. „Das erwarte ich von Kunst – dass sie mir einen Widerstand entgegensetzt, mich immerwährend herausfordert.“ Und es sind die plastischen Tierdarstellungen, die die Kunsthistorikern schon vor Jahren auf Wilczewski aufmerksam gemacht haben.
Baums Einladung an die 1987 geborene Künstlerin setzt die Ausstellungsreihe zum Zehnjährigen des Neuen Kunstvereins fort. Die aktuelle Schau an der Hofaue präsentiert sich unter dem Titel „In a spearmint’s air lane – Shit- and goldstorms“. Darin ist nicht nur der „Speer“, sondern auch die „Minze“ enthalten. Das Lippenblütengewächs Minze, so Wilczewski, sei ein passendes Bild für die „Verbindung von Gedanken und Gebilden der Kunst“.
Der Logik des Wortspiels folgen auch ihre Arbeiten auf Papier. Da tun sich ungeahnte Übergänge zwischen Flora und Fauna auf, wenn aus einem Blumenstrauß à la Van Gogh Affengesichter hervorblicken oder ein Tintenfisch auf einem Dromedar reitet. Wie in den ostasiatischen Religionen vermischen sich Tier- und Götterfiguren. Die Objekte treiben die Entgrenzung der Lebensformen noch weiter – etwa wenn Menschenkörper einen ausladenden Blütenkelch bilden.