Kabarett Ein Liebeslied für alle drei Städte soll die Gräben des DOC-Streits schließen

Interview Jens Neutag tritt beim Drei-Königs-Treffen der Oberbürgermeister von Wuppertal, Remscheid und Solingen auf.

Jens Neutag lebt in Wuppertal, wuchs in Remscheid auf und arbeitete eine Zeit lang in Solingen. 

Foto: Fries, Stefan (fri)

Das Bergische Land erlebt 2020 sein eigenes Drei-Königs-Treffen am 6. Januar (19.30 Uhr). Der Friedensgipfel der Oberbürgermeister Wuppertals, Solingens und Remscheids findet auf Einladung der drei führenden Bergischen Tageszeitungen Westdeutsche Zeitung, Remscheider General-Anzeiger und Solinger Tageblatt und der Volksbank im Bergischen Land an historischer Stätte, auf Schloss Burg, statt. Damit das von Horst Kläuser moderierte Spitzengespräch auch unterhaltsam wird, kommt Jens Neutag hinzu. Der Kabarettist ist als gebürtiger Lenneper, der seinen Zivildienst in Solingen leistete und seit 2014 in Wuppertal lebt, quasi die Fleisch gewordene Versöhnung.

WZ: Welchen Beruf haben Sie angestrebt: Kabarettist, Schauspieler oder Schriftsteller?

Jens Neutag: Mit 16 Jahren habe ich meinem Vater verkündet, dass ich Kabarettist werden wollte. Ich bin ohne Fernsehen in einer Gewag-Siedlung am Hasenberg in Lennep groß geworden. Da kam immer der Bücherbus hin, den ich systematisch durchforstet habe. Dabei entdeckte ich ein Buch über die Münchener Lach- und Schießgesellschaft, „Die Zeit spielt mit“ von Klaus Peter Schreiner. Das Buch war spannend, einfach toll. In der Oberstufe habe ich dann Kabarett im Fernsehen und auf der Bühne angeschaut.

Sie treten solo und in verschiedenen Ensembles auf. Was gefällt Ihnen mehr?

Neutag: Immer das, was ich gerade mache. Und dann bin ich wieder froh, wenn was anderes kommt. Beides hat seinen Reiz, und ich bin froh, nicht entscheiden zu müssen.

Sie schreiben für sich und für andere. Was gefällt Ihnen mehr?

Neutag: Ich brauche die Bühne nicht, um mich auszuleben. Aber beim Schreiben für mich habe ich mehr Freiheit und weniger Reibungsverlust. Wenn ich für andere schreibe, muss ich natürlich darauf achten, dass Person und Aussage zusammenpassen, so dass es glaubhaft wird. Aber auch das mache ich gerne.

Was ist regionales Kabarett?

Neutag: Es definiert sich über ein sprachliches Idiom, über das die Leute eher zueinander finden als durch das Hochdeutsche, mitunter auch über regionale Themen. Im Ruhrpott beispielsweise geht es immer auch „unter Tage“. Und der Humor ist unterschiedlich, auch wenn er durch Migration natürlich verwischt wird. Der größte Unterschied ist aber der zwischen Stadt und Land.

Worin unterscheiden sich rheinischer und bergischer Humor?

Neutag: Das Talent der oberflächlichen Kommunikation ist dem Bergischen fremd, selbst im Geschäft trifft man nicht auf verlogene Freundlichkeit. Als Kabarettist kann man hier nach 88 Minuten Stille tosenden Applaus erleben. Das macht den Abend nicht gerade launiger, die Stille muss aber nicht Ablehnung bedeuten. Andererseits kann man auch hier Abende erleben, die einen denken lassen, man sei im tiefsten Rheinland.

Was bedeutet das für Ihr Programm?

Neutag: Man muss es wissen, sich darauf einstellen. Als Bergischer finde ich es übrigens gar nicht so gut, wenn es zu rummelig wird, wir singen ja keine Schlager, sondern machen Kabarett.

Und was ist mit Unterschieden zwischen Solingen, Remscheid und Wuppertal?

Neutag: Ich weiß, dass das lokale Bewusstsein Heimat gibt, verbindet, aber eben auch Enge bedeutet. Da es schon Unterschiede bei den einzelnen Stadtteilen gibt, muss man aufpassen, dass man sich nicht verliert. Ich richte da lieber den Blick aufs Große.

Wie wichtig ist Ihnen die Musik im Programm?

Neutag: Die ist nicht mein Beritt. Ich hatte das anfangs mal in meinem Soloprogramm versucht, dann aber die Gitarre vergessen und gemerkt, dass sie nicht fehlte.

Sie betreiben mit dem „Talfahrt“-Ensemble satirische Heimatpflege. Was verstehen Sie darunter?

Neutag: Wir wollen satirisch sein, aber nicht abwertend, Missstände benennen, aber aus innerer Liebe zu Wuppertal.

Wie entstehen Ihre Texte?

Neutag: Ich versuche, am Schreibtisch Ideen, Dinge, die mir aufgefallen sind, zu formulieren. Ein Beispiel: Zu dem Namen Schneidewind (Chef des Wuppertal Instituts, Red.) fiel mir der Erlkönig „Wer reitet so spät durch Nacht und Wind?“ ein. Eine Kombination, die ich mit dem kompletten Gedicht abglich und dabei feststellte, dass es wunderbar auf die OB-Kandidatenkür der Wuppertaler CDU anzuwenden war.

Gerade tritt „Talfahrt“ mit seinem Jahresrückblick 2019 auf. Welche Themen behandelt er?

Neutag: Das Pina Bausch Zentrum, die CDU-Spitze, die Suche nach einem OB-Kandidaten, den WSV, den Besuch Angela Merkels in Wuppertal, Rats-TV, in dem diesmal die Baumschutzordnung eine große Rolle spielt, der Streit um das DOC (Designer Outlet Center Remscheid, Red.).

Das auch Thema auf Schloss Burg werden dürfte.

Neutag: Auf jeden Fall. Ich habe selbst erlebt, dass ich als Wuppertaler in Remscheid deswegen angefeindet wurde. Ich weiß ja, wo es gebaut werden soll, habe selbst in dem Stadion, das dafür abgerissen wird, an den Bundesjugendspielen teilgenommen.

Was haben Sie konkret vor?

Neutag: Ich versuche, die drei Städte mit einem übergreifenden Liebeslied musikalisch zu verbinden. Wir müssen erkennen, dass es nicht gegeneinander geht. Außerdem will ich auf die landesweite Bedeutung des Bergischen Landes aufmerksam machen: Auf Schloss Burg wird die Gründungsurkunde Düsseldorfs aufbewahrt; hier residierte der Kölner Erzbischof. Genau durchdekliniert habe ich mein Programm noch nicht, aber es soll eine Friedens-, eine Zukunftsvision entwerfen.