Fast alles eines Frage der Ehre

Ein junges Team inszeniert Lessings Lustspiel „Minna von Barnhelm“ als aktuelle und universelle Geschichte.

Fast alles eines Frage der Ehre
Foto: Christoph Sebastian

Wuppertal. „Es ist eine große Geschichte über Frauen, die in einer Nachkriegssituation mutig etwas auf die Beine stellen“, fasst Schauspiel-Intendantin Susanne Abbrederis „Minna von Barnhelm“ zusammen. Das ist zugleich der Grund, warum sie Lessings Lustspiel auf den Spielplan gesetzt hat. „Eine der positivsten Nachrichten, die uns ein männlicher Klassiker über Frauen hinterlassen hat.“

Die Intendantin hat ein „junges, aber sehr erfahrenes Team“ für die Inszenierung engagiert, die am 22. November im Theater am Engelsgarten Premiere hat. Die Regisseurin Helene Vogel hat mit dem Bühnenbildner Philip Rubner und der Kostümbildnerin Aleksandra Kica bereits in Wien zusammen gearbeitet.

„Das Stück ist für mich ein Glück“, sagt Vogel. „Es ist so tief, so traurig, so dramatisch, trotzdem muss man es nach Lessings Vorgabe als Komödie inszenieren.“

Die verlorene Ehre und das verlorene Vermögen des Major Tellheim sind der Dreh- und Angelpunkt. Nach dem Ende des siebenjährigen Krieges wartet der verwundete und unehrenhaft entlassene Offizier, der für die preußische Armee tätig war, mit seinem Diener Just in einem Berliner Gasthof auf den Ausgang seines Prozesses — ihm wird Bestechlichkeit vorgeworfen.

Von seiner Verlobten Wilhelmine „Minna“ von Barnhelm, will er sich aus Ehrgefühl trennen. Doch diese wagt mit ihrer Kammerfrau und Freundin Franziska einen hochmodernen Schritt und geht aufs Ganze: Das adelige Fräulein reist aus Thüringen an und will die Beziehung retten - was ihr mit allerlei Listen und Ringe-Vertauschen auch gelingt.

Das Motiv der Ehre habe sie zum großen Teil herausgenommen, sagt Helene Vogel, die als Hausregisseurin auch die Solostücke („Visitenkarten“) der Schauspieler betreut. Wie wichtig und kompliziert das Thema Ehre im 18. Jahrhundert gewesen sei, verstehe heute keiner mehr. Doch die Grundsituation sei modern: „Wenn zwei Menschen einen gemeinsamen Lebensstandard haben und einer der beiden stürzt finanziell und gesellschaftlich ab, dann kann das auch heute noch leicht zu Problemen in der Beziehung führen.“

Sie findet den Text „enorm aktuell“ — es gebe eben Universaltexte und -themen: „Sonst könnten wir einen 200 jahre alten Text wie diesen oder die alten Griechen gar nicht mehr spielen.“

Mit den Schauspielern ist ihr die präzise Arbeit am Text besonders wichtig: „Die Zuschauer müssen so viele Informationen aufnehmen.“ Der Text sei sprachmächtig, aber eben nicht einfach: „Je genauer die Schauspieler einen Satz durchdacht haben und sprechen, desto besser wird er verstanden.“

Als offenen Raum legt Philip Rubner die Bühne an. Der Gasthof mit den beiden Zimmern werde nicht als konkreter Ort dargestellt, sagt er. Vielmehr sei er wandelbar, damit man ihn immer noch in eine andere Richtung denken könne.

Susanne Abbrederis ist bei der „Minna“ als Dramaturgin aufgeführt — was ist da die Rolle der Intendantin? Das junge Team brauche großen Freiraum, sagt sie. Aber sie gehe zu den Proben, berate bei Textkürzungen: „Ich stütze, halte und helfe, wo ich kann.“