Kammerspiel mit giftigem Unterton

„Nicht alles furchtbar traurig“: Der Niederländer Jos van Kan inszeniert im Theater am Engelsgarten „Gift. Eine Ehegeschichte.“

Foto: Anna Schwartz

Wuppertal. Es ist eine traurige Begegnung: Im Stück „Gift. Eine Ehegeschichte“ trifft sich ein Elternpaar, das längst kein Paar mehr ist, zehn Jahre nach dem Tod seines Kindes am Friedhof, weil die Gräber umgebettet werden sollen. All die Jahre haben sie sich nicht gesehen. Im wahren Leben können allerdings sehr tragische Momente unvermittelt in abstruse Komik umschlagen.

Das wollen der Regisseur Jos van Kan und die Dramaturgin Cordula Fink auch bei ihrer Inszenierung im Blick behalten — das 90-minütige Stück hat am 19. Februar Premiere im Theater am Engelsgarten. Der Regisseur sieht „Gift“ als Kammerspiel, das ohnehin besser auf die kleine Bühne passt.

Der Unfalltod des Kindes sei gar nicht das Hauptthema, sagt Jos van Kan, der gern herzlich lacht: „Die Autorin Lot Vekemans legt dem Publikum noch viel mehr auf den Tisch.“ Es gehe um die großen Themen Beziehung und Verlust — und letztlich um eine Auseinandersetzung darüber, wie man insgesamt auf sein Leben blickt. Beharrt man auf dem Verlust und richtet sich in der Trauer ein — wie die Frau? Oder sagt man: „Oh, das ist ein schrecklicher Verlust, ich möchte aber weiterhin ein lebendiges Leben haben“ — wie der Mann, der in Frankreich eine neue Familie gegründet hat?

„Es ist nicht alles furchtbar traurig“, sagt Cordula Fink, „man erkennt auch mit Belustigung die Kommunikationsstrategien.“ Denn während die beiden Figuren zielgenau in alten Wundern stochern und zwischendurch gegen jede Logik eine Hoffnung auf alte Vertrautheit aufblitzt, werfen sie mit Beziehungsfloskeln um sich. Von „Du machst doch immer . . .“ bis zu „Aber du hast doch damals. . .“ sind alle aus jedem ordentlichen häuslichen Zwist geläufig. Diese Dialoge seien aber so fein aufeinander abgestimmt und hätten eine fast musikalische Qualität, das man nur sehr behutsam kürzen könne, sagt Cordula Fink.

Vekemans Stück hat sich jedenfalls zum Selbstläufer entwickelt. 2009 wurde es in Gent uraufgeführt. In Deutschland war es erstmals 2011 als Gastspiel in Köln zu sehen — und wird seitdem landauf, landab gespielt. Gerade hatte es in Bochum mit Dietmar Bär und Bettina Engelhardt Premiere. In 16 Sprachen ist es bereits übersetzt, die Übertragung ins Chinesische ist gerade in Arbeit. Regisseur van Kan hat sich auch mit seiner Landsfrau Vekeman vorher getroffen („wir kennen uns gut“) und „über die kleinen Geheimnisse des Stücks gesprochen“.

Noch ein Niederländer — Wiebe Gotink — hat eigens für die Wuppertaler Inszenierung Musik komponiert. Vor allem Cello wird gespielt, aber nicht nur getragen trist, sondern auch wild und quietschig, kündigt van Kan an. Die Musik wurde in den Niederlanden aufgenommen und kommt im Theater vom Band.

Maß genommen hat Bühnenbilder Siegfried E. Mayer: „So klein das Engelstheater im Vergleich zum Burgtheater ist, so groß ist die Bühne für zwei Personen.“ Deshalb habe er den Raum verengt, damit die Szene „das Publikum direkt anspringt“. Nun geben sich Theaterleute fast immer die größte Mühe, nur ja nicht konkret zu verraten, wie die Inszenierung aussehen wird.

Also spricht Mayer ausführlich über den großen Bogen, den die Autorin schlägt vom konkreten Todesfall bis zu einer generellen Haltung dem Leben gegenüber: „Zwischen Küchenkram und Klytämnestra-Tragik gibt es in der Gewichtung keinen Unterschied.“ Diese Komplexität müsse sich auch auf der Bühne niederschlagen, auf der man folglich mehr brauche als platten Fernsehrealismus. „Möbelarm“ wird der Raum aussehen, mit einer einzigen Sitzgelegenheit — so viel lässt er sich noch entlocken. Als Oberfläche dominiert dunkelgrüner Marmor.