Karneval der Tiere: „Takt kommt aus der Mode“

Norbert Blüm unterstützt die Dresdner Kapellsolisten.

Wupperrtal. Um große und kleine Tiere, aber auch um "hohe Tiere" der Politbühne ging es beim dritten Philharmonischen Gastkonzert in der Reihe "Johannisberg International". Die Dresdner Kapellsolisten unter Helmut Branny brachten am Mittwoch Joseph Haydns g-Moll-Sinfonie "La Poule" (Die Henne) in die Stadthalle mit - Werke des Barock und der Frühklassik und den "Karneval der Tiere" von Camille Saint-Saëns.

Wie Saint-Saëns die Tiergeräusche durch Instrumente imitiert und die Melodien auch ersonnen hat, um Komponisten-Kollegen aufs Korn zu nehmen, so nimmt die Textfassung von und mit dem früheren Bundesarbeitsminister Norbert Blüm natürlich die Polit-Szene ins Visier.

Löwin Merkel ist die Herrscherin des Berliner Zirkus´ mit dem Wahlspruch: Kommt Zeit, kommt Rat. Doch der Löwe knurrt: Ohne Mindestfutter mache ich keine Tatze krumm. Hühner stolzieren gackernd in der Musik, angeführt vom "stoibernden" Hahn. Der Mehlwurm bewegt sich auf Schienen, und im bedächtigen Ballett heben die Schildkröten die Beine wie im Fraktionszwang.

Blüm lässt keine Seitenhiebe aus, obwohl er im Vortrag etwas angespannt wirkt - immer begleitet von dem exzellent aufspielenden Kammerorchester und den bestens aufeinander reagierenden Pianisten Ulrich Meining und Damian Zydek.

"Takt kommt aus der Mode", moniert Nobby, das Elefantenbaby aus dem Porzellanladen, im behäbigen Bass-Solo mit Klavierbegleitung. Und der Arbeitgeber-Bund hüpft mit den Kängurus in großen Sprüngen und leeren Beuteln durch herrlich schräge Klavierskalen. Im Vogelhaus flattern der Schäuble-Falter und die Beck-Eule. Die Tiere suchen Futter - wie die Politiker Stimmen.

Im innigen Cello-Solo tanzt Ursula von der Leyen engelsgleich und federleicht den "Schwan", während Oskar, der Zwergwal, eine Fontäne ausstößt und verschwundenes Geld wieder auftauchen lässt - so kurzweilig kann es beim Tierkarneval zugehen, der keinesfalls nur für Kinder geeignet ist.

Auch in Haydns Sinfonie Nr.83 scheint im Kopfsatz das Geflügel zu gackern - wenn man Fantasie walten lässt, versteht sich. Denn Haydns Musik ist alles andere als vordergründig. Sensibel und präzise gehen die Kapellsolisten das kontrastreiche Werk mit dynamischem Feinschliff an. Federnd schwingen die Klänge, die die Musiker im Stehen erzeugen, zurückhaltend agieren die Holzbläser mit ihren Einwürfen.

Johannisberg international Beim nächsten Konzert der Reihe am 28.Februar, 20 Uhr, bietet "The English Concert" unter Laurence Cummings ein Barock-Programm. Karten: Ruf 5694444.