Kirchenmusik 2: Singend auf dem Weg aus der Kirchenkrise
Der frühere Gefängnispfarrer Erhard Ufermann leitet das Referat „Kultur und Musik“ – ein neues Angebot im evangelischen Kirchenkreis. Im 2. Teil der Serie "Kirchenmusik in WUppertal" berichtet er aus seinem Alltag.
Wuppertal. Die Stelle ist brandneu: Seit Anfang Juli gibt es im evangelischen Kirchenkreis Wuppertal ein Referat "Kultur und Musik", das sich um die Förderung der Kirchenmusik kümmern und Kinder zum Singen bringen soll.
Damit ersetzt es das lange diskutierte, aber nicht verwirklichte Haus der evangelischen Kirchenmusik. Dass diese Stelle nicht mit einem Kirchenmusiker, sondern mit einem Theologen und Jazzmusiker besetzt ist, zeigt die Stoßrichtung des vorerst auf drei Jahre angelegten Projekts.
Erhard Ufermann war 19 Jahre lang Gefängnispfarrer in Vohwinkel, spielt mindestens ebenso lange in der professionellen Formation Ufermann, gründete den Kulturraum Bandfabrik und ließ sich vor fünf Jahren von der Kirche freistellen, um sich kulturellen Projekten zu widmen. Zusammen mit dem Schauspieler Andy Dino Iussa erarbeitete er in dieser Zeit unter dem Slogan "Iussa + Ufermann: Kultur wirkt" Aufführungen mit Migranten und Randgruppen, in denen sie sich mit ihrer Geschichte auseinander setzen.
Seit einem Jahr nun beschäftigt sich Ufermann mit dem Thema Kirchenmusik in Wuppertal, erst als "Pfarrer in Wartestellung" - und jetzt als Referent für Kultur und Musik. Ihm zur Seite steht ein beratender Beirat mit sieben Kirchenmusikern, Pfarrern und Vertretern der Landeskirche.
Als erstes hat Ufermann ein 27-seitiges Konzept zur derzeitigen und zukünftigen Lage der Kirchenmusik verfasst. "Die Krise der Kirchenmusik ist eine Krise der Kirche und auch eine Krise der Musik", lautet sein Fazit. Deshalb müsse man neue Anknüpfungspunkte suchen. "Ich habe mir den Luxus erlaubt, darüber nachzudenken: Was hat Globalisierung mit der Situation der Kirchenmusik in Wuppertal zu tun?"
Das Problem sei, dass die Menschen heutzutage Musik nur noch als Konsumgut in perfekter Qualität aus dem Kopfhörer gewohnt sind. "Die Art, wie Musik gehört wird, ist von sozialen Systemen entkoppelt." Die Kirche ihrerseits habe Probleme mit ihrer Kommunikationsfähigkeit, und die einzelnen Gemeinden seien wenig vernetzt. Hier setzt Ufermann nun an.
Mit den Projektmitteln (50000 Euro), die er pro Jahr zur Verfügung hat, plant er ungewöhnliche Angebote. Einer der ersten ist ein Kurs "Singen mit Schwangeren". "Wenn die Mütter ihren Säuglingen dann ,Der Mond ist aufgegangen’ vorsingen, fordern diese das später ein", hofft der 51-Jährige.
Sowohl für Kirchenmusiker als auch für Erzieher soll es Workshops geben, bei denen sie Liedbegleitung per Gitarre lernen. Und für Klavierschüler soll ein Schnupperkurs Orgel angeboten werden, um Nachwuchs für das Spielen im Gottesdienst zu begeistern. Außerdem sollen Konzerte an ungewöhnlichen Orten mit ungewöhnlichen Programmen auch Menschen begeistern, die normalerweise nicht in die Kirche oder ein Kirchenkonzert gehen. "Die Musik hat sich in den vergangenen zehn bis 15 Jahren geändert. Darauf muss man reagieren", betont Ufermann.