Kunst als Signal: Solidarität für Krebskranke

Siglinde Kallnbach arbeitet als Artist-in-Residence in der Galerie Epikur.

Wuppertal. Augen auf bei der nächsten Schwebebahnfahrt: Vielleicht begegnet Ihnen eine bebrillte, zierliche Rothaarige mit Stift und Leinwand. Das ist Siglinde Kallnbach. Die 52-Jährige ist Artist-in-Residence der Galerie Epikur.

Die Fahrten mit dem stadtbekannten Wahrzeichen dienen nicht (allein) dem touristischen Vergnügen der Kölner Multimedia- und Performance-Künstlerin. Kallnbach sammelt - zwischen den Endhaltestellen in Barmen und Vohwinkel hin- und herschwebend - Unterschriften für ihr Projekt "A performancelife", das sie 2001 begonnen hat. "Inzwischen habe ich mehr als 30000Signaturen", berichtet sie stolz. Eine jede davon ist eine Solidaritätsbekundung für Krebskranke. "Das ist eine Aktion, die auf großes Interesse stößt. Von den Wuppertalern habe ich viel positive Resonanz bekommen."

Auslöser für die ungewöhnliche Kunstaktion im öffentlichen Raum war Kallnbachs eigene Krebserkrankung 2000. "Der Wunsch nach Gesundheit ist universell, nationen- und altersübergreifend. Und Krebs ist noch immer ein tabuisiertes Thema", sagt die gebürtige Hessin. Waren es zu Beginn ihrer Karriere politische Themen wie Diskriminierung, Krieg und Rassismus die sie thematisierte, hat sie sich jetzt auf die Erkrankung an Krebs fokussiert.

Für die Performance in Wuppertal lässt die Absolventin der Hochschule für Bildende Künste Kassel Menschen auf weißen, kleinformatigen Leinwänden unterzeichnen. Name reiht sich an Name, mal spiralförmig, mal filigran, mal schaut das Ergebnis aus wie die Jahresringe eines Baumes, dann wieder sind sie so kunstvoll angeordnet, dass sie mittig Platz für ein Fantasietier lassen.

Angefangen hat Kallnbach vor Jahren in weißen Anzügen. "Die trug ich am Körper und ließ mich ‚beschriften’", erinnert sie sich. So war das während ihres Stipendiats in Japan, den vielen nachfolgenden Reisen dorthin oder Touren in die fernsten Winkel Australiens. Einer dieser weißen Anzüge, ein knallrotes Ballkleid und natürlich die von Wuppertalern gestalteten Dokumente werden nun in HP Nackes Galerie zu sehen sein. Auch eine ganze Reihe von Fotos, die Unterschriftensammlungen dokumentieren, sind dabei. "Das waren Japanerinnen in Brüssel, und diese aktive indische Gemeinde traf ich auf einem Performance-Festival in Ipswich", gewährt die Künstlerin vorab Einblicke in die Schau.

Einen besonderen Platz nehmen Aufnahmen der Schwebebahn ein. Dynamik, Schnelligkeit und die Einsamkeit eines einzelnen Wartenden dürfen hier als Synonyme für Krebserkrankung, einen mitunter rapiden Verlauf und die Isoliertheit eines Erkrankten interpretiert werden.

"Gesundheit wünschen sich alle Menschen", betont die Malerin, "egal, wo auf der Welt sie leben." Nicht dieser Wunsch allein verbindet beispielsweise Japaner und Deutsche. "Es gibt ganz viele andere verbindende Phänomene." Einige Exponate dazu werden im zweiten Ausstellungsteil gezeigt, der "Rheingold - Shinkansen" heißt.

Wie oft Kallnbach in Japan war? "Ich weiß es nicht. Oft!" Das Land sei kontemplativ und gebe ihr Kraft. Über "vorzügliches Sushi", stundenlange Teezeremonien ("das ist echte Meditation") oder die Disziplin der Japaner gerät sie ins Schwärmen: "Auch bei ausgelassensten Festen habe ich nie jemanden betrunken erlebt."

Abgebildete Tempel beschreibt die Künstlerin als "Wunderwelt für sich" und das Nebuta-Festival assoziativ mit dem rheinischen Karneval vergleichbar. "In der Gemeinschaft sein, Schönes genießen können - auch das sind universelle Erfahrungen." Besonders wichtig werden diese Erlebnisse, wenn man krank ist. Auch davon erzählen ihre Bilder.