Kunsthochschule Soviel Bauhaus auf einem Fleck in Wuppertal

Der Fabrikant Kurt Herberts holte im Dritten Reich namhafte Künstler der klassischen Moderne in die Stadt. Christiane Gibiec hat ein Buch über ihn geschrieben.

 Christiane Gibiec hat die Geschichte des Lackfabrikaten Herberts recherchiert.

Christiane Gibiec hat die Geschichte des Lackfabrikaten Herberts recherchiert.

Foto: Fischer, Andreas H503840

Das legendäre Bauhaus wird gerne mit Dessau und Weimar in Verbindung gebracht, allenfalls noch Berlin genannt. Dass die nahmhafte Kunsthochschule (1919 bis 1933), die in diesem Jahr mit viel Aufwand Hundertjähriges feiert, auch in Wuppertal Spuren hinterlassen hat, ist dagegen weniger bekannt. Sie führen zu dem Wuppertaler Chemiker Dr. Kurt Herberts (1901 bis 1989), der nicht nur ein großes Unternehmen der Lack- und Farbenindustrie führte, sondern im sogenannten Wuppertaler Arbeitskreis für einige Jahre namhafte moderne Künstler in der Stadt versammelte. Die Autorin, Journalistin und Lehrbeauftragte an der Universität, Christiane Gibiec, hat Herberts ein eigenes Buch gewidmet.

Oskar Schlemmer wohnte in Bürogebäude am Döppersberg

Kurt Herberts, der im Krieg viel Geld verdient habe, habe bei dem Engagement der Künstler nicht nur an sich gedacht und (preiswert) Kunst sammeln wollen. Er habe ein theoretisch fundiertes Interesse an Kunst besessen und „ein psychisches Kraftwerk gegen die Barbarei mit ästhetischen Projekten schaffen wollen“, erklärt die Autorin. Mit dieser „subversiven Aktion“ einher ging das Interesse an den Möglichkeiten des Werkstoffes Lack und antiken Techniken – „letzteres auch eine Reminiszenz an den nationalsozialistischen Kulturbegriff“. Seit 1937 lebte schon der Architekt Franz Krause in Wuppertal. Unter Vermittlung des Malers Ernst Oberhoff (1906 bis 1980) und des Architekten Heinz Rasch (1902 bis 1996) holte Herberts von den Nazis verfemte Bauhaus-Künstler als Professoren für Malstoffkunde in die Stadt. „Er gab ihnen Schutz und Schirm bei eigenem Risiko und großem diplomatischen Geschick.“ Gibiec: „Soviel Bauhaus auf einem Fleck, und alles brauchbare Leute, sagte Oskar Schlemmer zu dem Ruf nach Wuppertal.“

Während sich Willi Baumeister (1889 bis 1955) nur phasenweise in Wuppertal aufhielt, bezog Oskar Schlemmer (1888 bis 1943) eine Wohnung im 1940 von Herberts im Bürogebäude von Heinz Rasch am Döppersberg 24 eingerichteten Institut für Malstoffkunde. Im Keller des Hauses sei stundenlang über Kunstgeschichte diskutiert und über Malmaterialien reflektiert worden, sei die Reihe „1000 Jahre Malerei und ihre Werkstoffe“ begonnen worden. „Während sich der Krieg zuspitzte, betrieben sie subtile Malstudien und begründeten die neue kunstgeschichtliche Phase des Informel unabhängig und zeitgleich mit Paris“, erzählt Gibiec.

Wandmalzyklus von Willi Baumeister in der Uni

Damals kam auch die Idee einer Kunstschule für Wuppertal auf, die jedoch erst nach dem Krieg durch den Grafiker und Pädagogen Jupp Ernst (1905 bis 1987) Wirklichkeit werden sollte. „Er entwickelte sie mit Rückgriff auf Bauhaus, Werkbund und die Ideen von Herberts, forderte auch einen Industriedesignstudiengang für Wuppertal, der dann auch eingerichtet wurde.“

Sichtbar wurde die Anwesenheit der Künstler Schlemmer und Baumeister zunächst im Treppenhaus der Herbertschen Fabrik. Hier malten sie Gemälde an die Wände, auf denen sie verschiedene Wandmaltechniken und -werkzeuge darstellten. 13 Baumeister zugeschriebene Arbeiten aus seinem Wandmalzyklus wurden gerettet. Sie sind heute im Hörsaalzentrum auf dem Campus Freudenberg zu sehen.

Weitgehend zerstört wurden hingegen Lackdöschen und -schränke, die die Künstler als Firmenpräsente schufen. Der große Angriff auf Elberfeld 1943 vernichtete nicht nur das Malkunde-Institut, sondern auch viele Sammlungsgegenstände. Gibiec: „Einige dieser wundervollen Lackobjekte hat heute das Lackmuseum Münster.“ Nicht über das „Planungsstadium“ hinaus kam Schlemmers Lackkabinett, das er nach barockem Vorbild erschaffen wollte und das verschiedene Malverfahren, Lackarten und Techniken darstellen sollte.

In dem Projekt „Modulation und Patina“ erforschten die Künstler Materialien. Beobachteten Farbkleckse beim Verlaufen, verrieben oder verdünnten Farbe und beschrieben, was sie sahen. Das Kunstmuseum Stuttgart beherbergt heute noch einige dieser Kunsttafeln und Schriften.

Im Krieg – und unter den Augen der Nazis – ging anlässlich eines Firmenjubiläums auch eine mutige Ballettaufführung über die Bühne. 1941 wurde ein an Oskar Schlemmers berühmtes „Triadisches Ballett“ angelehntes „Lackballett“ in der Concordia in Barmen aufgeführt. Weibliche Lehrlinge der Firma Herberts schlüpften in die mit Hilfe von Schlemmers Bruder Carl nachgebauten Figurinen, „schritten“ nach Schlemmers Choreographie und zur Musik Händels über die Bühne. Gibiec: „Obwohl Herberts von den Nazis zum Wehrwirtschaftsführer ernannt wurde, trat er nie in die NSDAP ein.“ Einmal sei er verhaftet, ein anderes Mal sein Haus durchsucht worden, auch habe er nicht nur verfemten Künstlern, sondern auch anderen verfolgten Menschen geholfen.