Mond strahlt im Opernhaus
„Der Vetter aus Dingsda“ hat Wuppertal erreicht: Die Operette überzeugt sowohl szenisch als auch musikalisch.
Wuppertal. Julia liebt Roderich, obwohl sie ihn sieben Jahre lang nicht gesehen hat. August, der angeblich ein "armer Wandergesell", in Wahrheit aber der Neffe von Julias Onkel und Vormund Josse ist, verliebt sich in Julia und gibt vor, Roderich zu sein. Als dann der echte Roderich vom Himmel schwebend auftaucht, kann alles nur noch komplizierter werden: Der nämlich verliebt sich in Julias beste Freundin Hannchen und hatte Julia längst vergessen.
Was nach großer Dramatik klingt, löst sich in "Der Vetter aus Dingsda" im Happy End auf: Im Opernhaus hatte Eduard Künnekes Operette Wuppertal-Premiere. Der Scheinwelt Operette ohne Anspruch auf Realität und den wenig stabilen Identitäten tragen Inszenierung und Bühnenbild (Monika Frenz) perfekt Rechnung: Unsicher sind die Planken, die über Wassergräben führen. Das muss Julia alias Elena Fink schmerzlich erfahren, die unfreiwillig im blanken Nass landet.
Glitzernd und flüchtig spiegelt sich das Wasser in der Projektion. In der Regie von Robin Telfer zeichnen sich die Bediensteten Carlotta (Miriam Scholz) und Hans (Peter K. Hoffmann) durch roboterhafte Bewegungen, Schießwut und Tollpatschigkeit aus. Egon von Wildenhagen (Miljan Milovic) ist ein kauziger Verehrer Julias, der Spielwitz in die Handlung bringt. Onkel (Olaf Haye) und Tante (Michaela Mehring) sind die spießigen, am Reichtum hängenden Bürger, die das Genre Operette durch Überzeichnung so gerne bloßstellt.
Julia und August (Boris Leisenheimer) spielen ihre aufkeimende Liebe anrührend. Schließlich muss die Roderich nachtrauernde Julia erkennen, dass "die lebendige Stimme des Herzens mehr wert ist als leblose Ideale" und kann die Jugendliebe (Adam Sanchez) Freundin Hannchen (Dorothea Brandt) überlassen.
Künnekes Musik - von schmissigen Tanzweisen der 20er Jahre über Ohrwürmer bis hin zu koketten Anspielungen auf Wagner oder Strauß - haben alle Sänger bestens verinnerlicht: Herrlich schmelzend klingt etwa Finks Valse Boston ("Strahlender Mond"). Flott und jazzig kommen das Foxtrott-Ensemble "Sieben Jahre lebt’ ich in Batavia" oder das Duett "Mann, o Mann, an dir ist wirklich nichts dran" daher. Das Sinfonieorchester unter Tobias Deutschmann sollte an manchen Stellen zurückhaltender spielen, ist den Sängern aber insgesamt ein verlässlicher und mitreißender Partner.
Regie: Fünf von fünf WZ-Punkten
Bühne: Fünf von fünf WZ-Punkten
Ensemble: Fünf von fünf WZ-Punkten