Opern-Premiere: Frauen zeigen ihre Stärke(n)

Die Wuppertaler Bühnen brachten „Iphigenie auf Tauris“ in Remscheid heraus. In Barmen feiert die Produktion im Mai Premiere.

Wuppertal. Die Männer sind sehr brutal oder sehr edel. Sie sind machtbesessen, intrigant, eitel, angeberisch und schwach. Das wirklich starke Geschlecht sind die Frauen: Edelmütig, solidarisch, selbstbewusst und leidenschaftlich geben sie sich in der Oper "Iphigenie auf Tauris" (Ifigenia in Tauride) von Gian Francesco de Majo, die im Remscheider Teo Otto Theater als Produktion der Wuppertaler Bühnen am Freitagabend Premiere hatte.

Die Regie stellt Iphigenie ein "Alter Ego" (Anastasia Krumberg in einer stummen Kinderrolle) an die Seite: Es ist das unbeschwerte Kind, das sie einmal war, aber auch ihre Seele, ihr Gewissen und der Geist der toten Mutter Klytaimnestra zugleich. Banu Böke singt und spielt die ins Land der Skythen Entführte, die der Göttin Diana als Priesterin dient, mit großer Überzeugungskraft. Bökes warmer Sopran mit weit reichendem Volumen beschreibt lyrisch, gefühlvoll und dramatisch die Handlung. Mit dem Fernglas sucht sie ihre Heimat, das Land der Griechen.

Nur sparsame Zugeständnisse an die Jetzt-Zeit macht die Regie. Dafür führt Wolfgang Quetes die Charaktere mit statischer Ruhe oder bewegter Leidenschaftlichkeit. Mit Tomiri (Elena Fink), die sich von der lasziven, rothaarigen Schönen zur selbstbewussten Kämpferin wandelt, solidarisiert sich Iphigenie schließlich.

Finks Partie ist mit anspruchsvollen Koloraturen gespickt, die sie mit perlender Leichtigkeit absolviert, sie schürt aber auch mit forcierten Spitzentönen unnötige Härte. Gegen die rauen Sitten des wilden Merodate (Boris Leisenheimer mit frischem und tragfähigem Tenor) wehrt sich Tomiri erfolgreich. Nur Toantes Liebe kann sie trotz aller Verführungskünste nicht gewinnen. Thomas Schobert gibt den Herrscher, der ihr den Thron entriss und der Iphigenie gewinnen will, mit Präsenz und Ausstrahlung, womit sein wenig fokussierter Bass jedoch oft nicht korrespondiert.

Überzeugend agiert Cornel Frey als Orest. Leidenschaftlich erregt klingt seine geschärfte Tenorstimme: Mit neuem Selbstbewusstsein, als Iphigenie den Bruder endlich erkennt, stiehlt er das Standbild der Diana. Aber zerknirscht ist er und wie von Furien gejagt, wenn ihn die Schuld am Muttermord quält. Nur die Treue seines Freunde Pylades hilft ihm - die Hosenrolle übernimmt Miriam Scholz mit angenehmer, aber nicht immer durchsetzungsfähiger Altstimme. Empfindsam gelingen die ergreifenden Duette der Freunde.

Der Männerchor der Wuppertaler Bühnen (Einstudierung: Jaume Miranda) rundet mit professionellem Gesang das Bühnengeschehen ab. Das entspinnt sich im wechselreichen Bühnenbild mit vier beweglichen, halbrunden Mauersegmenten: Sie sind Tempel, Gefängnis oder Frauengemach, mit antiken Fresken bemalt. Manfred Kaderk zeichnet auch für die farbenprächtigen Kostüme verantwortlich.

Martin Braun, Kapellmeister an den Wuppertaler Bühnen von 2001 bis 2004, speckt die Bergischen Symphoniker ab und lässt in kleiner Besetzung spielen. So richtet sich der Fokus der Musik zwischen spätbarocker Beschwingtheit und klassischer Eleganz auf die solistischen Parts, Duette und Ensembles, auf Tonprägnanz und Klangschönheit, um die die Musiker oft erfolgreich ringen. Das Publikum spart nicht mit begeistertem Beifall für die stimmige Produktion.

Regie: 4 von 5 Punkten

Bühne/Kostüme: 5 von 5 Punkten

Ensemble: 4 von 5 Punkten

Orchester: 3 von 5 Punkten