Endicott tanzt wieder an der Kluse: Der Ehekrieg geht weiter

Jo Anne Endicott ist in dem Stück "Komm tanz mit mir" zu sehen - wie schon 1977.

Wuppertal. Als sie 1977 zum ersten Mal Liebe und Hass auf öffentlicher Bühne erlebte, hätte Joséphine Ann Endicott sicher nicht gedacht, dass das Psycho-Drama kein Ende finden wird, sondern 2008 weitergeht. "Komm tanz mit mir" - die Aufforderung gilt auch nach 31 Jahren noch, denn Pina Bausch ruft am Donnerstag, 9. Oktober, wieder den Geschlechterkampf aus. Berührende Szenen dürften sich ab 19.30 Uhr an der Kluse abspielen: Im Schauspielhaus geht ein Mann-Frau-Duell über die Bühne, das das Blut in den Adern gefrieren lässt.

Für Endicott, die im Tanztheater Wuppertal nur "Jo Anne" heißt, ist es "eines der schwersten Stücke. Es geht wirklich an die Substanz." Wer die ehemalige Solo-Tänzerin fragt, wie es sich anfühlt, nach drei Jahrzehnten erneut in die Rolle und Kostüme schlüpfen, die ihr schon bei der Uraufführung Überzeugung, Überwindung und Überkräfte abverlangt haben, erntet deshalb eine ehrliche Antwort: "Ich würde am liebsten weglaufen."

Doch keine Angst: Genau das macht Endicott natürlich nicht. Denn die gebürtige Australierin wäre keine engagierte Künstlerin, wenn sie sich nicht mit Haut und Haaren auf das außergewöhnliche Experiment einließe: "Es ist schon toll, dass ich das noch einmal spielen darf. Und es ist ein Wunder, dass ich es überhaupt noch kann."

27 war sie, als sie 1977 erstmals alle Facetten der Liebe durchlebte - in Szenen, die bis heute unvergessen sind. "Komm tanz mit mir", ruft Endicott im gleichnamigem Ehedrama dem Mann zu, den sie anschreit, anhimmelt, anbettelt - hoffnungsvoll, wütend, verzweifelt. In ihrer Rolle kann sie all das zeigen, was zum Liebesleben dazugehört: Ausdauer und Trotz, große Liebe und kleine Triumphgefühle - bis der Geschlechterkampf am Ende doch verloren ist.

Für Endicott sind es bewegende Momente, die (nicht nur) ihr selbst aus dem eigenen Alltag vertraut sind: "Jeder, der verheiratet ist oder war, kennt das. Es geht um Hass, Liebe und alles, was dazwischen liegt."

Urs Kaufmann trägt seinen Teil dazu bei: Er übernimmt den männlichen Part. Die aktuelle Bühne des ehemaligen Pina-Bausch-Tänzers ist zwar inzwischen im städtischen Kulturbüro zu finden. Doch heute wird der "Schreibtischtäter" zum Bühnen-Macho - jedenfalls wirkt er am Anfang so. "Später zeigt sich, dass er auch ein sehr verletzlicher Mann ist." Dass sie an vier Abenden hintereinander gemeinsam auf der Bühne stehen, freut Endicott: "Er ist ein Partner, der mir sehr viel Kraft gibt. Wir spielen in Augenhöhe."

Und ihre eigene Rolle? Vor welcher Szene hat sie den größten Respekt? "Vor dem Moment, in dem ich unter seinem Stuhl liege - das ist Erniedrigung pur." Aber auch sonst ist der emotionale Ehekrieg eine ständiges Auf und Ab: "Es gibt keinen Punkt, an dem ich ausatmen kann." Auch nach 31 Jahren nicht.