Premiere: Die Bühnen entlarven Politiker-Posen
„Herrschaft, Arbeit und Soziales“ ist ein gelungener Mix aus Musik-, Licht- und Sprechkunst.
Als vieleckige Zelle mit transparenten Wänden setzt Markus Höller „La fabbrica illuminata“ (Die erleuchtete Fabrik) von Luigi Nono (1964) in der Remise im Historischen Zentrum in Szene.
Dahinter verbergen sich eine bewegte Lichtskulptur, die Ornamente wirft und Sopranistin Dorothea Brandt, die zu vier Tonbandspuren mit Fabrikgeräuschen ausdrucksvolle Klagen singt. Immer weiter öffnet sich die Installation, um die die Zuschauer stehen, und entpuppt sich als ästhetisches Gebilde, das im Kontrast zu den unruhigen und belastenden Geräuschen aus der Fabrik steht. Der Kommunist Nono wollte realitätsnah sein und die unmenschlichen Arbeitsbedingungen anprangern: Heute wirkt sein Werk höchst artifiziell.
Das politische Musiktheater „Herrschaft, Arbeit und Soziales“ vereint in seinen drei kurzen Stücken Theaterpädagogik, Schauspiel, Musik und Licht- und Videoinstallationen (Tobias Daemgen). Olaf Haye ist — verborgen hinter Aufnahme- und Wiedergabegeräten, Mikros, Videos und Fernsehbildern — „Der Tribun“ in Mauricio Kagels gleichnamigem Werk (1978/79). In skurrilen, erheiternden und beklemmenden Szenen übt ein Staatenlenker eine Ansprache an sein Volk ein. Die besteht aus Floskeln, in die sich bitter-reale Aussagen mischen: „Ich sperre meine Feinde ein — für euch“, „Meine Macht, damit ihr machtlos bleibt“ oder „Ich werde keine Menschenrechtler zulassen“. Der Tribun eines totalitären Staates verblendet das Volk.
Großartig realisiert Haye den Rhetoriker, der jede Geste und Pose vor dem Spiegel einübt, jeden Applaus mit bedenkt und verzerrte Märsche vom Band als willkommene Pause zelebriert. Kein Zweifel: Dieser Tribun wird sich eines Tages vor einem Tribunal verantworten müssen.
Frederic Rzewski schrieb 1972 sein Stück „Coming together“ zum Brieftext eines Häftlings, der über schlimme Haftbedingungen in einem amerikanischen Staatsgefängnis berichtet. Musiker des Sinfonieorchesters und Gäste entwickeln die Musik zwischen Clustern, Klangflächen und nur minimalen Veränderungen unterworfenen Rhythmen zum Text, den Schauspieler Gregor Henze in vielen Wiederholungen eindringlich rezitiert. Immer rascher und lauter werden Text und Musik. Das Wissen, dass der Häftling 1971 als Anführer einer Revolte erschossen wurde, verstärkt die bedrückende Wirkung.