Lesung „Raw“: Literatur trifft Rap

Hank Zerbolesch stellte sein neues Buch bei einer Lesung in Utopiastadt vor.

Hank Zerbolesch hat seine neues Buch „Raw – Antiroman“ in Utopiastadt vorgestellt.  Foto: Stefan Fries

Hank Zerbolesch hat seine neues Buch „Raw – Antiroman“ in Utopiastadt vorgestellt. Foto: Stefan Fries

Foto: Fries, Stefan (fri)

„Warum wird ein Bulle ein Bulle, ein Junkie ein Junkie, ein Arschloch ein Arschloch …?“ Hank Zerbolesch fragt nach Gründen, warum Menschen tun, was sie tun. Die Antwort, die er in seinem neuen Roman darauf gibt, ist ernüchternd: „Weil du als Mensch nur reagieren kannst!“

Nach eineinhalb Jahren Arbeit, erscheint heute, am 22. Oktober, sein drittes Buch „RAW“, im Periplaneta-Verlag. Deshalb ist er auf Promotour und am Samstag konnte ein interessiertes Publikum erste Eindrücke im „Hutmacher“ sammeln. Die urige Kneipe in Utopiastadt war gut gefüllt und bei der 90-minütigen Lesung zeigte der Autor, dass er nicht nur gut schreiben, sondern auch vortragen kann.

Der Autor bezeichnet
sein Werk als Antiroman

Der 1981 in Düsseldorf geborene Wahl-Wuppertaler und Rap-Fan, kam anfänglich durch Charles Bukowski zur Literatur. Bekanntheit erlangte er bereits 2010 durch Auftritte bei verschiedenen Poetry Slams. 2014 erschien sein erster Kurzgeschichtenband, 2015 sein erstes Hörspiel. Mit „Verhaltet Euch unauffällig“ gab er 2015 sein Romandebüt. Nun erscheint mit „RAW“ sein zweiter Roman, der eigentlich gar keiner ist.

Als Antiroman bezeichnet der Autor ihn selbst, denn es fehlen starr definierte Charaktere und Erzählstrukturen. Zerbolesch wirft seinen „schriftstellerischen Werkzeugkoffer“ über Bord und lehnt sich am authentischen Erzählstil des Raps an. Musiker Moses Pelham hat ihn dabei inspiriert. „Ohne ihn würde es „RAW“ überhaupt nicht geben“, sagt der Autor und in der Tat finden sich im Buch etliche Zitate des Rappers. Und so pochend und treibend wie ein guter Beat ist auch die Sprache des Textes.

Der Roman ist eine gesellschaftliche Momentaufnahme, ohne Wertung, ohne moralischen Zeigefinger. Es geht um menschliche Schicksale, packend und intensiv. Zum Beispiel um Modou Gaye, einen ehemaligen Kindersoldaten, der aus Sierra Leone flieht und in Deutschland auf Asyl hofft. Es geht um eine Mutter, die ihr eigenes Kind zu Tode schüttelt, um einen Krankenpfleger, der sich an seinen Patienten vergeht … schnörkellos und direkt dargestellt.

„RAW“ wirbt „für Verständnis, nicht Sympathie“, für die Motive anderer. Zerbolesch hofft, mit Einblicken in bestimmte Mechanismen, verhärtete Sichtweisen zu verändern. Es geht ihm um Empathie, denn „alles, was man tut, hat Konsequenzen auf das Leben anderer.“ Ein beklemmendes Buch, das aber auch Hoffnung macht. Und so belohnen die Zuhörer am Abend den Autor mit lautem Applaus.