Spielzeit Eine Inszenierung, die ihn glücklich macht

Interview Schauspiel-Intendant Thomas Braus blickt auf die Spielzeit 18/19 zurück, in der wichtige Projeke angeschoben wurden.

Schauspiel-Intendant Thomas Braus im Treppenhaus des Opernhauses.

Foto: Bartsch,G. (b13)

Manchmal wird aus einem Ende ein Anfang. Als Thomas Braus an die Vorbereitung für die Inszenierung der Tragödie „IchundIch“ von Else Lasker-Schüler ging, war er frischgebackener Intendant mit einem Zwei-Jahres-Vertrag in der Tasche. Zwischenzeitlich wurde sein Vertrag bis 2023 verlängert, „IchundIch“ ist gerade als interdisziplinäres Festivalspektakel mit großem Einsatz und ebensolchem Erfolg in den Riedelhallen gezeigt worden. Und ein glücklicher Braus sagt: „Das ist der eigentliche Weg, den ich mit dem Theater gehen möchte.“

Aus dem Schlusspunkt von ehedem erwuchsen viele neue Ideen und große Motivation, die er ins Ensemble tragen will. Im Gespräch mit der WZ blickt der Intendant auf seine zweite Spielzeit zurück, erzählt von seinem persönlichen Verhältnis zu Else Lasker-Schüler und beschreibt seine künstlerischen Ziele für das Schauspiel Wuppertal.

Herr Braus, ein kurzes Resümee zur Spielzeit?

Thomas Braus: Sie war in allen Bereichen eine künstlerische Steigerung zur ersten. Neue Wege mit einer mutigen Ästhetik zeichnen sich deutlich ab durch die beiden Projekte „IchundIch“ und inklusives Schauspielstudio.

Was würden Sie positiv hervorheben?

Braus: Dass wir vom Publikum sehr gut angenommen wurden. Wir konnten die Besucherzahlen gegenüber 2017/18 nochmals steigern. Wir wollen nicht selbstgefällig im Elfenbeinturm sitzen und das Publikum mit unserem Theater vor den Kopf stoßen. Dennoch suche ich nach wie vor nach neuen Ausdrucksformen für die Bühne, wobei das Körperliche für mich sehr zentral ist. Natürlich gibt es auch Zuschauer, denen wir zu modern sind, aber die Zustimmung überwiegt deutlich.

Ein zentrales Projekt war die Realisierung von „IchundIch“. Hat sich dadurch Ihr Verhältnis zu Else Lasker-Schüler verändert?

Braus: Mein Verhältnis zu Else Lasker-Schüler hat sich weiterentwickelt. Das Faszinierende an expressionistischen und Dada-Stücken ist, dass sich immer wieder andere Assoziationswelten eröffnen. Bei den Proben in den letzten Wochen vor der Premiere empfand ich, dass das Stück ein letztes Aufbäumen vor ihrem Tod gewesen sein könnte. Das erinnerte mich an meinen Vater, bei dem vor seinem Tod auch viele Bilder hochkamen, was mich stark berührt hat.

Sind Sie mit der Realisierung des Projekts „IchundIch“ zufrieden?

Braus: Ich bin sehr glücklich, dass die Realisierung des Stücks geklappt hat und so gelaufen ist. Die Zusammenarbeit mit israelischen Künstlerinnen und Künstlern, der Tänzerin und den Tänzern, dem zusammengewürfelten Team war fantastisch. Und ich bin sehr zufrieden, dass sich viele Zuschauer darauf einlassen konnten, sich von den Bildern beeindrucken ließen. Nicht versucht haben, es rational zu erfassen. Diesen Weg finde ich für Theater spannend.

Was bedeutet das Projekt für Ihre künftige Arbeit?

Braus: Wir werden uns wieder treffen, vielleicht auch die Zusammenarbeit mit Tel Aviv intensivieren. Und darüber nachdenken, wie wir weiter international arbeiten können. Leider gibt es in der nächsten Spielzeit noch keine direkte Fortführung, aber wir werden ein Projekt zum Engelsjahr realisieren, das auch besonders, spannend und außergewöhnlich sein wird.

Welche Formate würden Sie hervorheben?

Braus: Es ist wichtig, dass wir in die Stadt gehen, deshalb entwickeln wir #Schnappschuss weiter. Wir werden in der kommenden Spielzeit mit dem Orchester und mit der Oper zusammenarbeiten. Mir ist auch an der Kooperation mit den anderen Sparten der Bühnen sehr gelegen. Fest steht schon der Schnappschuss zur Bauhausthematik am 17. Oktober mit dem Orchester im Skulpturenpark. Außerdem halte ich die Leseformate und die Publikumsgespräche für sehr wichtig und möchte sie weiter intensivieren, weil sie uns fruchtbares Feedback für unsere Produktionen geben. Und ich hoffe, dass sich die Aftershowpartys stärker etablieren.

Was lief in der Spielzeit nicht so gut?

Braus: Ich würde am liebsten mehr machen, aber es gibt personelle Grenzen und darauf muss ich sehr achten. Keiner soll ausgebrannt werden.

Was ist für Sie gutes Theater?

Braus: Ich will den begonnenen Weg weitergehen. Heißt: Ich suche nach außergewöhnlichen Erzählweisen. Dabei lege ich Wert auf einen starken körperlichen Ausdruck. Da verspreche ich mir auch viel von dem französischen Regisseur Nicolas Charaux, der „Romeo und Julia“ inszenieren wird. Ich versuche weiterhin darauf zu achten, ein ausgeglichenes Verhältnis von jungen und erfahrenen Regisseurinnen und Regisseuren zu gewährleisten. In der letzten Spielzeit hatten wir fünf Regisseurinnen und vier Regisseure.

Sie setzen sich für die Teilhabe von Menschen mit Handicap am Theater ein.

Braus: Die Teilhabe knüpft daran an: Es gibt keinen Idealkörper, der Körper, so wie er ist, soll erzählen. Leider sind in der Theaterlandschaft Menschen mit Handicap immer noch etwas Besonderes. Deshalb ist es so wichtig, dass wir mit dem durch das vom Land im Rahmen des Programms Neue Wege geförderten Schauspielstudio in den nächsten Jahren eine professionelle Ausbildung anbieten können. Damit können die Schauspielerinnen und Schauspieler des Studios auch ins normale Programm integriert werden. Durch das inklusive Studio werden neue Ausdrucksformen auf der Bühne möglich und damit gewinnen letztendlich alle. Wir haben jetzt ein erstes Casting für die insgesamt vier Stellen des Schauspielstudios gemacht. Außerdem werden wir mit Schauspielstudierenden von verschiedenen Schauspielschulen und einem syrischen Flüchtling arbeiten. Wir leben in einer globalen, diversen, vielsprachigen Gesellschaft – auch das muss Theater widerspiegeln.