Wuppertal Skulpturenpark zeigt Anne und Patrick Poirier

Der Skulpturenpark zeigt bis Anfang Januar die monumentalen Hauptwerke des französischen Künstlerpaares Anne und Patrick Poirier.

Foto: Anna Schwartz

Wuppertal. Man kommt aus dem Schauen gar nicht mehr heraus: Über neun mal sieben Meter erstreckt sich das Architekturmodell eines Stadtzentrums, alles ist großzügig und luftig angelegt: Straßen, Hallen, Tribünen, Treppen und die pyramidal wirkenden Türme.

„In den Arbeiten von Anne und Patrick Poirier ist etwas übrig geblieben von einer lebendigen Zeit, gleichzeitig sehen sie futuristisch aus. Sie gucken gleichzeitig in die Vergangenheit und in die Zukunft — sind also eigentlich zeitlos“, sagt der Bildhauer Tony Cragg, der neben einem Querschnitt durch das Schaffen die Hauptwerke des französischen Künstlerpaars bis Januar in beiden Ausstellungshallen seines Skulpturenparks in Unterbarmen zeigt.

„Es ist wie ein Bienenstock, wenn die Bienen weg sind, oder wenn die Figuren in ,Star Trek’ auf irgendeinem Planeten Ruinen entdecken: Man fragt sich, was das für ein Gebilde sein kann.“

Es ist das, was übrig bleibt, wenn das Leben verschwunden ist — trockenes Material, in das man Freude und Gedanken, Liebe und Lachen erst wieder hineindenken muss.

Seit 50 Jahren arbeiten Anne und Patrick Poirier als eines der seltenen Künstlerpaare zusammen, seit ihrer gemeinsamen Studienzeit ab 1967 in der Villa Medici in Rom. Mit ihren Werken, die sich der Erinnerung und der Vergänglichkeit der Existenz widmen, sind sie seit den 70er Jahren in Ausstellungen weltweit vertreten. Sie haben an mehreren Biennalen und der Documenta 6 (1977) teilgenommen. Der Aachener Kunstsammler Peter Ludwig war einer der ersten, der 1971 ihre Arbeiten gekauft hat.

„Wir sind beide in einer eher traurigen Zeit geboren — 1942“, sagt Patrick Poirier über sich und seine Frau. In beiden Familien habe es unter der deutschen Besatzung „schwierige Erfahrungen“ gegeben. „Ende der 60er Jahre sind wir in den Nahen und Fernen Osten gereist — überall war oder drohte Krieg.“ Aus diesen Erfahrungen wissen sie, wie fragil persönliche und kulturelle Erinnerungen sind: „Die Dinge verschwinden ganz schnell und sind dann für immer vergessen.“

Das rücken Arbeiten wie die Modelle Mnémosyne 1 und 2, die von türkischen Ausgrabungsstätten inspiriert sind, ins Bewusstsein. Zugleich bieten diese Stadtansichten eine psychologische Kartographie, schon ihr Grundriss ist oval wie der eines Gehirns. „Die Baukomplexe entsprechen verschiedenen Bereichen des Gehirns wie das zentrale bildliche Gedächtnis, ein Reservoir für Bilder der Melancholie, eins für Bilder der Sinnlichkeit - alles gruppiert um einen Tempel des Vergessens“, erklärt Anne Poirier.

Die monumentalen Skulpturen sind ein Angebot. „Es gibt einige Hinweise auf den Zeichnungen an den Wänden“, sagt Patrick Poirier, „wir haben natürlich Ideen, aber wir überlassen es dem Betrachter, die Reservoirs mit eigenen Bildern zu füllen.“ Die Zeichnungen und poetischen Prozesse an den Wänden lassen den komplexen Entstehungsprozess erahnen. Tony Cragg: „Man muss sich an das Modellhafte ein bisschen gewöhnen. Aber je länger man davorsteht, desto mehr denkt man sich in die Funktionen dieses Areals hinein, desto mehr Leben fügt man dem Skelett hinzu.“

„Raumschiff Enterprise“ lässt grüßen: Wie ein ringförmiges Ufo im Abflug schwebt „Ouranopolis“ in der oberen Halle. Wer das strahlend weiße Objekt mit einem Durchmesser von 4,50 Metern umwandert, kann durch klitzekleine Bullaugen ins Innere und in lange Gänge und weitläufige Innenhöfe sehen: ganz nah und entrückt zugleich.

Die Ideen des Künstlerpaares speisen sich aber nicht nur aus der Vergangenheit. Ein Teppich aus Wolle, Seide und Bambusfaser zeigt in Grau und Schwarz einen antik wirkenden, verwischten Stadtplan. Doch die Arbeit von 2015 trägt den ebenso knappen wie aussagekräftigen Titel „Aleppo“.