Konzert Otto Krämer überzeugt mit höchster Improvisationskunst

Sommerliche Orgelkonzerte in der Kirche St. Antonius in Barmen: Organist entführte das Publikum in seine Klangwelt.

Otto Krämer an der Klaisorgel in der St. Antoniuskirche.

Foto: Bartsch,G. (b13)

Ein einmaliges Erlebnis hatten die Besucher des Orgelkonzerts in der Antoniuskirche am Sonntagnachmittag gleich in doppelter Hinsicht: Weil sie einem Improvisationskonzert beiwohnten, dessen Wesen durch Spontaneität und Einmaligkeit gekennzeichnet ist, und weil das, was sie hörten, von hoher Qualität war, wie begeisterte Zuhörer dem Organisten Otto Krämer im Anschluss versicherten. „Gegangen – gegenwärtig“ lautete der mit Bedacht gewählte Titel des Konzerts, das Musik aus früheren Zeiten ins Jetzt holte.

Die „Sommerlichen Orgelkonzerte“ der St. Antonius- und St. Laurentius-Gemeinden erleben gerade ihre dritte Auflage. Für Pfarrer Klaus-Peter Vosen „Zeichen ihrer Beliebtheit“. Er lud die Besucher für eine deutlich ausgedehnte Stunde zu Kunstgenuss und freiem Gedankenlauf „über den Alltag hinaus“ ein. Dazu war im großen, dezent beleuchteten Kirchenschiff der Barmer Kirche reichlich Gelegenheit. Die Orgel im Rücken konnten die Zuhörer sich der Musik ohne jede Ablenkung anvertrauen, innehalten, den Blick nach vorn auf Altar, Christusfigur oder Kirchenfenster und nach Innen wandern lassen.

Den Blick nach vorn oder
nach innen gewandt

Die Orgelimprovisation ist Bestandteil der katholischen Liturgie, ist kirchliche Gebrauchsmusik im Gottesdienst. Sie kann spontan auf Texte und Sinngehalt von Liedern eingehen, Stimmungen aufnehmen und vertiefen. Otto Krämer ist Kantor an St. Peter und Paul im niederrheinischen Straelen, Dozent für Liturgisches Orgelspiel und Improvisation an der Musikhochschule in Köln, vor allem aber ein begnadeter Improvisateur an der Orgel. Er veröffentlichte CD-Einspielungen, gewann internationale Preise, schuf eigene Kompositionen, gab und gibt Konzerte. Sein Improvisationstalent hätte er entdeckt, weil andere ihn gefördert hätten, sagt er bescheiden.

In St. Antonius erwartete ihn eine Klais-Orgel, deren weitreichende klangliche Disposition verschiedene Stilrichtungen, von der barocken bis zur französisch-romantischen erlaubt. Was Krämer durchaus ausnutzte, nachdem er sich mit dem Instrument vertraut gemacht und es eingerichtet hatte. Sein Programm war ein Streifzug durch verschiedene Stilrichtungen, vom Barock über die Romantik bis ins 20. Jahrhundert. Stets nahm er Motive und Komponisten sowie die teilweise strengen Liedformalita als Ausgangspunkt und Rahmen für sein schwelgerisches Spiel. Der Profi spielte berauschend, folgte zugleich einer ordnenden Überlegung. Krämer lächelnd: „Ich gehe in den Garten der Harmonien und zum Schluss baue ich eine kleine Irreführung ein.“

Auf einem Klangteppich in
ihre Gedankenwelt getragen

Den Einstieg wählte der Musiker mit Variationen über Präludium und Fuge in Erinnerung an Felix Mendelssohn Bartholdy (1809 bis 1847), einem der bedeutendsten Vertreter der Romantik und Bach-Verehrer. Die Suite Francaise, die wie der deutsche Barock eine hoch standardisierte Liste (entsprechend liturgischem Gebrauch) abhandelt, spielte Krämer als Hommage an die Komponisten Louis-Nicolas Clérambault (1676 bis 1749), Francois Couperin (1668 bis 1733) und Michel Chapuis (1930 bis 2017). Sein Beitrag über eine Partita im deutschen Barockstil widmete er (natürlich) Johann Sebastian Bach. Krämers Spiel war wuchtig und tupfend, stimmungsvoll und gedämpft, feierlich und tänzerisch leicht. Massive Akkorde wechselten mit schnellen Läufen durch alle Oktaven, Klangwolken mit Motivanklängen.

Der US-amerikanische Pianist Keith Jarrett wurde in den 70er Jahren des letzten Jahrhunderts durch seine Soloimprovisationen bekannt. Krämers Variation zu einem kleinen Stück war atmosphärisch dicht, leicht, impressionistisch angehaucht. Ähnlich der Schlusspunkt des Konzerts, für den er eine suite symphonique in Anlehnung an Pierre Cochereau (1924 bis 1984) und Pierre Pincemaille (1956 bis 2018) ausgesucht hatte. Auf einem wuchtigen Klangteppich wurden die Zuhörer in ihre Gedankenwelt getragen.

Erst nach einer Zugabe durfte Krämer enden.