"Trilogie der Sommerfrische": Mit viel Witz gegen den Untergang
Viel Applaus für die „Trilogie der Sommerfrische“: Das Ensemble feiert — allen Unkenrufen zum Trotz — ein Fest der Schauspielkunst.
Wuppertal. Timing ist alles — und kann ganz schön wehtun. Aus Schauspielersicht hätte der Zeitpunkt der Verkündung vermutlich nicht schlechter gewählt werden können. Just in der Woche, in der Wuppertals Bühnenzauberer einer Premiere entgegegenfieberten, traf sie die Nachricht, dass das eigene Ensemble drastisch reduziert werden soll, wie ein Hammerschlag.
Und genau an dem Tag, an dem sie das Publikum mit der „Trilogie der Sommerfrische“ über nahende herbstliche Stürme hinwegtrösten wollten, brauchten sie selbst Zuspruch: Wie die WZ berichtete, hatte die Stadtspitze am Donnerstag, nur wenige Stunden vor der Premiere im Opernhaus, auf einer Pressekonferenz ihre Sparpläne bekräftigt.
Ungeschicktes (oder bezeichnendes?) Timing, könnte man sagen. Doch das Ensemble reagierte mit allen Mitteln der Dramatik: Als könnte der Zeitpunkt der Premiere nicht besser gewählt sein, bewiesen die Schauspieler, dass sie ein eingespieltes Team sind — und Ensembletheater bestens funktioniert, wenn man denn mal mit großer Besetzung auftrumpfen kann.
18 Ensemblemitglieder und Gäste, so viele wie lange nicht mehr, machen seit Donnerstagabend Theater. Nahezu die komplette Belegschaft steht im Rampenlicht — nur Sophie Basse ist derzeit nach Stuttgart „ausgeliehen“ und deshalb nicht mit von der (Land-)Partie.
Gutes Timing, könnte man aus Zuschauersicht sagen — auf weiten Strecken zumindest. Schauspiel-Intendant Christian von Treskow, dessen Vertrag 2014 ausläuft und der seinen Platz, da er — aus Verwaltungsperspektive — zu wenige Zuschauer an sich gebunden hat, einem Nachfolger oder einer Nachfolgerin räumen muss, zeigt bezeichnenderweise, wie man andere souverän in Szene setzt. Viel Schwung, kleine witzige Einfälle, aber auch große Spannungsbögen und punktuellen Tiefgang hat seine Inszenierung, die mit drei Teilen, zwei Pausen und insgesamt drei Stunden und 40 Minuten zwar etwas lang geraten ist, andererseits aber auch ein ausgiebiges Plädoyer fürs Ensembletheater darstellt.
Wer dabei Symbolik sucht, wird fündig. Da ist zunächst ein verfallendes Theatergebäude aus längst vergangenen Tagen (Bühne: Jürgen Lier), vor dem eine illustre Truppe aus Pleitegeiern, Mitgiftjägern und Narzissten gemeinsam zur Landpartie aufbricht. Denn Carlo Goldonis Komödie dreht sich — welch Parallele zur aktuellen Wuppertaler Bühnenwelt — um Zukunftspläne und Zahlungsnot. Ein Schelm, wer dabei an das sanierungsbedürftige Schauspielhaus und die Sparmaßnahmen denkt.
Zusätzliche Requisiten gibt es kaum — so kommen die zauberhaften Kostüme von Dorien Thomsen wunderbar zur Geltung. Sie sind eine ideale Mischung aus Moderne und Vergangenheit. Die Spielwiese der Eitelkeiten verändert sich jedoch: Schon im zweiten Teil fallen die ersten Perücken — das Theater löst sich zusehends auf.
Auch dies ist durchaus symbolisch zu sehen: Am linken und rechten Bühnenrand zwängen sich Goldonis Selbstdarsteller mit hoch toupiertem Haar durch viel zu kleine Türen — muss sich die Kultur unter Sparzwang dauerhaft verbiegen? Eines steht jedenfalls fest: Die Komik entsteht durch Körperbeherrschung. Denn das Liebeskarussell dreht sich gewaltig: Die Schauspieler reißen im richtigen Moment kokett die Augen auf, ziehen gekünstelt eine Schnute, legen ein schmeichelhaft-unschuldiges Lächeln auf, seufzen theatralisch, kreischen, keifen und kichern. All das wirkt gewollt übertrieben und macht die allzu Menschlichen am Ende trotz allem liebenswürdig. Dazu gibt es amüsante Details — eine Fahrradklingel am Gehstock etwa oder ein Fächer, den Juliane Pempelfort wie einen Dolch aus dem Halfter zieht. Als stutenbissige Vittoria wiehert sie beim Abgang auch noch wie ein Pferd.
Wer mit wem wann, wo, wie häufig und weshalb Gefühle austauscht, ist zwar verwirrend, aber auch nicht die Hauptsache. Die Preis-Frage ist eher: Welchen Wert hat die Liebe? Oder auch: Zu welchem Preis verkauft sich die Kultur? Dass Giacinta (grandios: Hanna Werth) am Ende der Stadtsparkasse Wuppertal für ihre Unterstützung dankt, passt also bestens ins Konzept.
So ist die Botschaft des Stücks naheliegend, beißende Gesellschaftskritik liefert die Inszenierung aber dennoch nicht. Und: Christian von Treskow hat die Trilogie zwar sichtlich gestrafft, kann das Tempo des ersten Teils aber nicht durchgängig halten. Am Ende gibt es viel Applaus für viel Esprit — für ein Sittengemälde, das im besten Sinne des Wortes komisch ist, vor allem aber für die Schauspieler, die buchstäblich um ihre Existenz kämpfen.
Am Donnerstag haben sie eindrucksvoll demonstriert, dass die Wuppertaler Bühnen ein sehr gutes Ensemble haben. Timing ist eben alles — und kann, wenn man eine Komödie trotz der realen Tragik so lustvoll präsentiert, ganz schön Spaß machen.
Ensemble: Fünf von fünf WZ-Punkten
Regie: Vier von fünf WZ-Punkten
Bühne: Fünf von fünf WZ-Punkten