Unbeschwerter Reigen von Genuss und Sinnlichkeit

Das Tanztheater zeigt das Stück „Nefés“ mit vielen jungen Tänzern.

Foto: Oliver Look

Wuppertal. Ein Bekenntnis zu Sinnlichkeit und Genuss, lächelnde Tänzerinnen und Tänzer, Kleider in den Farben des Sonnenaufgangs von naturweiß über blassorange bis dunkelrot — „Nefés“ ist eins der heitersten Stücke von Pina Bausch.

2003 ist es in Koproduktion mit dem Istanbuler Theaterfestival entstanden. Wie bei all ihren internationalen Koproduktionen haben Pina Bausch und ihre Compagnie wochenlang in der Stadt gearbeitet und Eindrücke aufgesogen. Klar schlägt sich der türkische Alltag in Nefés nieder, von schaumigen Szenen im Hamam, dem türkischen Bad, über den bedrohlich brodelnden Verkehr bis zum Kaffeehaus, das sich unversehens in einen lauten Basar verwandel. Orientalisch mutet auch das Halbdunkel an, das nur die Kleider der Tänzerinnen schimmern lässt.

Das Stück wandert mit Leichtigkeit durch die Generationen auf und vor der Bühne. 2011 gab es bereits eine Wiederaufnahme. In den aktuellen Aufführungen haben neue, junge Tänzer viele Rollen übernommen, und ein überwiegend junges Publikum strömt zu ihnen ins Opernhaus.

Nefés (türkisch für Atem oder Hauch) ist ein unbeschwerter Reigen liebevoller Szenen und expressiver Soli, mal als umwerfend anmutige Mischung aus rituellem indischem Tanz und modern dance wie bei Shantala Shivalingappa, mal ebenso explosiv wie verletzlich bei Rainer Behr im Sturzregen. Im übrigen haben die Tänzerinnen und Tänzer ein Auge aufeinander — ein fürsorgliches, ein flirtendes, ein tröstendes. Behutsam gehen sie auf der schlichten, dunklen Bühne miteinander um, auf der sich eine große Kuhle unmerklich mit Wasser füllt.

Ganz ohne Irritation geht es aber nicht. Da kraulen die Männer die auf allen vieren herankriechenden Frauen wie demütige Hunde im Nacken, ohne überhaupt hinzusehen — eine Symbolszene für eine patriarchalische Gesellschaft. Aber für solche Bilder brauchte Pina Bausch schon vorher keinen Aufenthalt in der Türkei.