Analyse zur Lockerung der Beschränkungen Am Montag beginnt die heikle dritte Phase
Die Lockerungen im Corona-Schutz machen Druck auf die Risikogruppen. Für sie bricht am Montag eine Phase an, in der sie sich noch mehr der Gefahr bewusst sein sollten, die eine Ansteckung mit dem Coronavirus für sie bedeuten kann.
Bei allen Lockerungen von Schutzmaßnahmen in der Corona-Krise müssen sich die Verantwortlichen folgende Frage stellen: Welche Maßnahmen lösen welche Reaktionen und Kettenreaktionen aus und welche Folgen haben diese für die sogenannten Risikogruppen. Laut Angaben des Robert-Koch-Instituts (RKI) steigt das Risiko einer schweren Erkrankung ab 50 bis 60 Jahren stetig mit dem Alter an. Rund 100 000 Wuppertaler gehören den Altersgruppen an, die als Bindeglied zwischen den Generationen noch voll im Arbeitsleben stehen und sich nicht ohne weiteres aus dem Alltag verabschieden können. Für sie bricht am Montag eine Phase an, in der sie sich noch mehr der Gefahr bewusst sein sollten, die eine Ansteckung mit dem Coronavirus für sie bedeuten kann.
Insbesondere ältere Menschen können, bedingt durch das weniger gut reagierende Immunsystem und in Folge von Vorerkrankungen, nach einer Infektion schwerer erkranken. Das RKI empfiehlt daher neben den allgemeinen Verhaltensregeln wie Händewaschen und Abstand halten, die Reduzierung von Kontakten mit anderen Menschen. Eine Maßgabe, die ab Montag schwerer zu erfüllen ist, wenn sich die Busse und Bahnen, die Geschäfte und Büros wieder füllen.
Besonders stark sind in Wuppertal die Altersgruppen vertreten, die sich ihrem Ruhestand nähern. Die geburtenstarken Jahrgänge der 1960er Jahre bilden den dicken Bauch der Bevölkerungsstatistik. Die Frauen und Männer stehen zum großen Teil voll im Beruf, nehmen in vielen Unternehmen, darunter im medizinischen und pflegerischen Bereich sowie in Behörden Schlüsselpositionen ein. In Wuppertal leben aktuell 28 690 Menschen im Alter von 50 bis 55 Jahren, 28 096 Personen im Alter von 55 bis 60 Jahren und 22 989 im Alter von 60 bis 65 Jahren. Erst dann bricht die Kurve mit 18 628 Personen (65 bis 70 Jahre) und 15 591 (70 bis 75 Jahre) ab.
Altersgruppen sind bisher unterschiedlich stark betroffen
In einer ersten Phase der Corona-Krise traf es in Wuppertal vornehmlich jüngere Menschen, die sich im Skiurlaub, im Karneval oder auf Reisen angesteckt hatten. Die zweite Phase hat weit dramatischere Folgen, denn nun verbreiten sich die Infektionen in Wuppertal innerhalb von Familien, in Alten- und Pflegeheimen sowie auf anderen Wegen, die im Gegensatz zur ersten Phase nicht mehr nachvollzogen werden können. 31 Menschen (Stand Freitag) sind bisher an den Folgen der Corona-Infektion gestorben. In den bekannten Fällen waren dies zumeist Menschen im Alter über 80 Jahre, die Vorerkrankungen aufwiesen.
Die dritte Phase der Pandemie könnte vermehrt Altersgruppen treffen, die bisher von der Kontaktsperre und anderen Schutzmaßnahmen am stärksten profitiert haben. Es sind Menschen, die sich im Alter von 50 oder 60 Jahren selbst gar nicht als Risikogruppe begreifen. Es sind die Macher, die Netzwerker, die fitten Senioren beiderlei Geschlechts, wie man sie aus der Fernsehwerbung kennt. Es sind Frauen, die noch voll im Job gefordert sind und trotzdem die Betreuung von Enkelkindern übernehmen.
Die Experten warnen, dass das Virus nicht nur für die Spitze der Alterspyramide tödliche Gefahr bedeutet. Die Krise zielt mitten in den Bauch der Gesellschaft. Das Virus kann sich in Supermärkten, Baumärkten und ab Montag in Möbelmärkten verbreiten, wenn die Vorsicht schwindet. Deshalb muss die Lockerung der Schutzmaßnahmen mit Sorgfalt erfolgen. Neben persönlichen Schicksalen steht das Funktionieren der sozialen und wirtschaftlichen Systeme auf dem Spiel. Den jungen Menschen in der Stadt gehört die Zukunft. Wie diese Zukunft mit und nach Corona aussieht, bestimmen allerdings die 102 000 Menschen (Stand Ende 2019) im Alter von 45 bis 65 entscheidend mit.