Offen gesagt Respekt und Würde
Wuppertal · Das Thema ist emotional, es berührt die Menschen am Uellendahl ebenso wie jene in Ronsdorf. Was der Stadtrat letztlich entscheidet, beeinflusst die Lebensqualität der jeweils betroffenen Bürger.
Im Mai läuft eine Diskussion auf ihr Ende zu, die Wuppertal seit etwa 30 Jahren mal mehr, mal weniger in Atem gehalten hat. Es geht vordergründig um den Bau einer forensischen Klinik für psychisch kranke Straftäter. Es geht um die Zukunft einer Freifläche, für die der Regionalentwicklungsplan seit Jahrzehnten die Nutzung als Gewerbefläche vorsieht. Und letztlich geht es auch um die Qualität von Demokratie in Wuppertal. Die Kleine Höhe hat Sprengkraft. Sie kann die Stadt vom Land NRW entzweien und viele Bürger von ihrer Stadt. Deshalb sind Wuppertals Politiker sehr gut beraten, sich intensiv Gedanken darüber zu machen, wie sie eine Entscheidung von dieser Tragweite treffen. Es geht nicht nur um Ja oder Nein, sondern es geht auch um die Form.
Dass Wuppertal nicht umhinkommen wird, das Land NRW eine Forensik bauen zu lassen, scheint sicher zu sein. Der Widerstand gegen so eine Einrichtung hält sich bedauerlicherweise in Grenzen. Dabei ist Wuppertal bereits Standort von Justizvollzugsanstalten für erwachsene und jugendliche Kriminelle, hat sein Soll gegenüber NRW eigentlich längst übererfüllt. Dem Land freilich ist das egal. Es besitzt eine Fläche an der Parkstraße in Ronsdorf und wird die Klinik notfalls dort errichten, wenn es die Fläche an der Kleinen Höhe nicht haben kann. Aber auch das ist in diesem Fall nicht die Hauptsache.
Das Wichtige ist, dass der Stadtrat sich des Themas auf eine angemessene Art und Weise annimmt. Seit Jahrzehnten kämpfen Naturschützer darum, dass die Kleine Höhe unberührt bleibt. Sie wollen weder Forensik noch Gewerbe oder Wohnbebauung, wo sich Hase und Igel „Gute Nacht“ sagen. Und sie führen dafür gute Gründe an, auch wenn sich so mancher an das Floriansprinzip erinnert fühlen mag.
Es gibt aber ebenso gute Gründe, die forensische Klinik nicht in Ronsdorf bauen zu lassen. Dort ist mit dem Jugendgefängnis den Anwohnern bereits genug zugemutet. Außerdem läge ein so dringend benötigtes Gewerbegebiet auf der Fläche des Landes recht günstig an der Parkstraße, wenn diese irgendwann einmal verkehrstauglich ausgebaut worden wäre.
Das Thema ist emotional, es berührt die Menschen am Uellendahl ebenso wie jene in Ronsdorf. Was der Stadtrat letztlich entscheidet, beeinflusst die Lebensqualität der jeweils betroffenen Bürger.
Deshalb verbietet es sich, dieses Votum im Vorbeigehen zu treffen. Es wäre eine Ohrfeige für alle Interessierten, wenn der Stadtrat die Bebauung der Kleinen Höhe in Hauptausschuss-Stärke beschlösse, ohne viel Öffentlichkeit und damit ohne die Chance, diese schwierige Frage ein letztes Mal offen und kontrovers zu diskutieren. Es wäre fatal, wenn der Stadtrat diese Chance einmal mehr ausließe. Sein bisher letzter kapitaler Fehler liegt nicht lange zurück. Als die Seilbahn-Phantasie die Stadt spaltete, als Studenten gegen Anwohner in der Südstadt standen, als die Wuppertaler Moderation und einen Stadtrat gebraucht hätten, der Verantwortung übernimmt, da haben sich die Mandatsträger weggestohlen. Sie taten es, weil sie nicht selbst für das Nein zur Seilbahn verantwortlich sein wollten. Sie taten es aus Feigheit. Damit haben die 66 Damen und Herren viel Kredit verspielt. Es wäre deshalb schädlich, wenn sie in einer weiteren wichtigen Frage ihren Fehler wiederholten. Vieles spricht dafür, dass die Kleine Höhe ihre Jungfräulichkeit verliert, dass sie Adresse einer forensischen Klinik werden wird. Diese Entscheidung wird Verlierer erzeugen. Aufgabe des Stadtrates ist es deshalb, den Unterlegenen mit Respekt und Würde zu begegnen.