Offen gesagt Mahnung und Ansporn

Wuppertal. Fortschritt ist etwas Feines. Er zeigt, dass Entscheidungen richtig und Anstrengungen lohnend waren. Wuppertal hat in den vergangenen Jahren vieles richtig gemacht. Die Türme Uni, Junior Uni und Nordbahntrasse leuchten noch.

Doch schon der Döppersberg zeigt, dass es auch rückwärts gehen kann, wenn der eingeschlagene Kurs nicht gehalten wird. Insofern ist die neueste Studie des Institutes der deutschen Wirtschaft eine Mahnung. Wuppertals Dynamik, also seine Entwicklungskraft, ist zwar immer noch deutlich besser als vor drei, vier, fünf und erst recht als vor zehn Jahren. Doch der Aufschwung scheint einen Dämpfer bekommen zu haben. Wenn auch einen kleinen. Er ist weder selbsttragend noch selbstverständlich.

Die nähere Betrachtung des Zahlenwerks der Wissenschaftler zeigt, dass es dieser Stadt in entscheidenden Faktoren noch immer, vielleicht auch wieder, etwas mehr an Kraft mangelt. Es ist kein Ruhmesblatt, dass Wuppertal in der Betreuung der unter dreijährigen Kindern den letzten Platz unter den Großstädten in Deutschland einnimmt. Und bei den drei- bis sechsjährigen Kindern ist es nicht viel besser. Zwar hat der Rat in den vergangenen Monaten einige neue Kita-Projekte beschlossen. Aber ein Befreiungsschlag ist das nicht. Und es wird auch kein Befreiungsschlag, solange die Entwicklung von Kindergartenplätzen von Zufällen oder dem bemerkenswerten persönlichen Ehrgeiz des Sozialdezernenten abhängt.

Dass Wuppertal keinen brauchbaren Mietspiegel hat, mag Mieter freuen, weil sie für gute Wohnungen wenig bezahlen müssen. Die Freude ist aber von kurzer Dauer. Denn Eigentümer, die wenig einnehmen, investieren auch wenig. Das macht gute Wohnungen mittelfristig schlecht. Neue Wohnungen entstehen schon so gut wie gar nicht, weil es sich in Wuppertal nicht lohnt, in Immobilien zu investieren. Der von Niedrigzinsen gespeiste Investitionsschub macht damit einen großen Bogen um Wuppertal — sehr zum Schaden von Handwerk und Arbeitsmarkt.

Es ist deshalb auch kein großes Wunder, dass Wuppertal in der Statistik über die Hartz-IV-Empfänger einen der hinteren Plätze einnimmt. Wo zu wenig Arbeit ist, da ist auch weniger Wohlstand.

Deshalb ist die Studie eine Mahnung, sie ist gleichzeitig aber auch ein Ansporn. Sie ermuntert die Stadt, fordert ihre Politiker auf, neue Leuchttürme zu bauen. Eine Stadtgesellschaft braucht Ziele, auf die sie sich hinentwickeln kann. Vermutlich hat Oberbürgermeister Andreas Mucke (SPD) recht mit seiner Idee von einem Stadtentwicklungsplan, hätte er nur einen Planer.

Auch Wuppertal ist nicht nur Wirtschaft, es ist Wissenschaft, es ist Freizeit, es ist Wohlstand und Armut. Es ist eine Maschine, die in Schuss gebracht und in Schuss gehalten werden muss, damit sie möglichst allen, auf jeden Fall aber möglichst vielen Menschen nutzt. Schlechte Geschäfte beispielsweise für Immobilien-Unternehmer und Einzelhändler, fehlende Betreuungsplätze für Kinder sowie zu wenige Hochqualifizierte, zu hohe Steuern und Gebühren sind dem ebenso wenig zuträglich wie zu viele Arbeitslose und Aussichtslose.

Wenn Wuppertal im Städtervergleich weiter aufsteigen will, sind Frickelei und politische Bremsklötze der falsche Weg. Stattdessen braucht die Stadt einen Plan, eine Idee, wie sie in 15, 20 Jahren sein will. Die Bürger, die solche Pläne mittragen und umsetzen wollen, hat sie schon.