Offen gesagt Zum Wuppertaler Haushalt: Vorwärts in die Sackgasse

Wuppertal · Die Stadt ist auf Kurs – zumindest bis zum Jahr 2021 fließen Fördermittel. Aber was kommt dann?

Meinung zum Wuppertaler Haushalt: Vorwärts in die Sackgasse
Foto: Schwartz, Anna (as)

Der Boxenstopp hat funktioniert. Wuppertal ist wieder auf Kurs. Im Jahr 2022 wird es aller Voraussicht nach zum ersten Mal seit Menschen Gedenken einen Haushaltsplan geben, der ausgeglichen ist, obwohl die Stadt keine Zuschüsse vom Land mehr erhält und keine neuen Schulden machen darf. Das geht. Bis 2021. Und dann?

Dann wird es kompliziert. Wer daran zweifelt, dem sei ein Blick in den Haushaltsplan angeraten. Das ist zwar nichts für Freizeitfreudige und hat auch einen äußerst geringen Kurzweileffekt. Aber die unendlichen Zahlenkolonnen aus der Kämmerei beschreiben nüchtern, sachlich und humorfrei nicht mehr und nicht weniger als den Zustand Wuppertals wie er ist und wie er sein wird. Um es kurz zu machen: Er ist schwierig, und er wird schwieriger. Zwar peilt Kämmerer Johannes Slawig für das laufende Jahr einen Überschuss von 32 Millionen Euro an. Aber der ist schon nicht mehr erfreulich, wenn die 29 Millionen Euro herausgerechnet werden, die das Land der Stadt im Zuge des sogenannten Stärkungspaktes für dieses Jahr überweist. Dieser Zuschuss sinkt bis 2021 auf Null. Und es ist leider davon auszugehen, dass der städtische Überschuss es ihm gleichtut.

Denn die Aussichten sind nicht unbedingt rosig. Schon im vergangenen Jahr hat die Kämmerei acht Millionen Euro weniger Gewerbesteuer eingenommen als geplant. Wenn nun die Konjunktur tatsächlich nachlässt, wenn dadurch die Unternehmensgewinne sinken, dann werden auch weniger Gewerbesteuern bei der Stadt ankommen. Das ist bitter. Denn diese Steuer ist neben den Grundsteuern eine Haupteinnahmequelle der Kommunen. Wo sie zu hoch sind, herrscht Not. Wuppertal hat seit Jahren bedrückende und unattraktive Steuersätze.

Ebenso bedrückend sind die Werte, was Arbeitsmarkt, Investitionen und Kaufkraft angeht. Wuppertal ist zwar unbestritten die größte Stadt im gesamten Bergischen Land und bestimmt auch die attraktivste. Aber sie ist leider auch die ärmste. Mehr als jeder dritte Euro im 1,3 Milliarden-Euro-Etat ist Transferleistung. Auf dem Gebiet der Kommunalen Arbeitsgemeinschaft Bergisches Land ist die Kaufkraft dementsprechend nirgendwo so niedrig wie zwischen Vohwinkel und Beyenburg. Während jeder Einwohner im Kreis Mettmann pro Jahr knapp 26 000 Euro für Konsum zur Verfügung hat, liegt die Kaufkraft je Wuppertaler und Jahr bei knapp 21800 Euro und damit noch unter den Werten von Solingen (22900) und Remscheid (22200).

Woran das unter anderem liegt, wird an den Zahlen im Jahr 2017 fertiggestellter Wohnungen deutlich. Hier liegt Wuppertal mit 0,4 pro 1000 Einwohner abgeschlagen am Tabellenende. In Solingen waren es relativ fünfmal soviel, in Remscheid dreimal. Und im NRW-Schnitt wurden verhältnismäßig gar sechsmal mehr Wohnungen gebaut.

Gleichzeitig wächst die Bevölkerungszahl Wuppertals stärker als überall sonst. Aber sie wächst nicht in Eigenheime oder Einfamilienhäuser. Sie wächst ins Sozialsystem. Auch das ist ein wichtiger Hinweis auf die Struktur der Stadt.

All diese Zahlen stammen vom Landesamt für Statistik. Sie sind frei zugänglich für jeden, der sie lesen will. Dazu sollen diese Zeilen ermuntern. Denn die Statistiken können gute Leitplanken sein für Politiker und Stadtverwalter, die sich gerade in Wuppertal schwer tun, neues Gewerbe- und Bauland zu identifizieren, vor allem, wenn dabei einmal ein Baum im Wege steht. Ein wenig mehr Mut und Entschlusskraft könnten helfen, sich aus dem Abwärtstrend zu befreien. Zwingend ist zudem, die Suche des dringend benötigten Wirtschaftsdezernenten nicht auf die lange Bank zu schieben, nur weil andere die gute Idee hatten.

Ausreichend wäre all das freilich nicht. Deshalb ist der unermüdliche Kampf der armen Kommunen in Deutschland um mehr Unterstützung von Bund und Ländern so wichtig. Er hat das „Aktionsbündnis für die Würde unserer Städte“ in dieser Woche immerhin bis vor die Bundespressekonferenz der Hauptstadt geführt. Genutzt hat der lange Marsch des Bündnisses bisher allerdings kaum etwas. Die Bundesregierung zögert, den armen Kommunen aus der Schuldenfalle zu helfen. Die reichen Städte in den reichen Bundesländern verdrängen arrogant die Zeiten, in denen sie davon lebten, dass in NRW die Schornsteine rauchten und Milliarden von Rhein und Ruhr in den Länderfinanzausgleich flossen. Das ist weder seriös noch gerecht. Und es wird sich von allein nicht ändern.

 Wenn Städte wie Wuppertal lebenswert bleiben wollen, brauchen sie ihre Bürger. Sie brauchen eine Protestwelle der Bevölkerung, sie brauchen Mahnwachen auf zerbröselnden Straßen, vor maroden Schulgebäuden, in unterbesetzten Meldeämtern, vor geschlossenen Theaterbühnen, in verwahrlosenden Parks, vor den Jobcentern und Arbeitsagenturen. Eine Online-Petition hätte Sinn, gepaart mit der Leidenschaft, mit der ein paar Tausend Enthusiasten die Welt mit dem inzwischen wunderbar in den Zoo integrierten kleinen Affen Billi behellligt haben.

Oder es geht weiter wie bisher: vorwärts in die Sackgasse.