Neue Serie Herausforderung Sportabzeichen Mit langem Anlauf zum Fitness-Siegel

Wuppertal · Laufen, Schwimmen, Minigolf? WZ-Redakteur Martin Gehr stellt sich der Herausforderung, als zuletzt Untrainierter das Sportabzeichen zu machen.

Noch sitzt er, aber die Sportschuhe sind schon geschnürt: WZ-Redakteur Martin Gehr bereitet sich auf das Sportabzeichen vor.

Foto: Anna Schwartz

„Du musst dich bewegen“, hat meine Oma immer gesagt. „Mindestens eine halbe Stunde pro Tag. Sonst rostest du ein.“ Bewegung sei der Schlüssel. Meine Oma hat es vorgemacht. Sie wurde 101 Jahre alt. Bis zu ihrem 98. Lebensjahr benutzte sie ihre Beine. Erst dann kam der Rollstuhl. Und damit der schleichende Abschied.

Laut Statistik treiben immerhin 14 Millionen Menschen in Deutschland mehrmals pro Woche Sport. Nach einer Studie der Techniker Krankenkasse bewegt sich jedoch jeder Dritte weniger als 30 Minuten pro Tag. Die Weltgesundheitsorganisation zählt mangelnde Bewegung zu den größten Risikofaktoren für eine verkürzte Lebenserwartung und Krankheiten wie Diabetes, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Depression und Fettleibigkeit. Laut Statistischem Bundesamt sind mehr als die Hälfte der Deutschen übergewichtig. Also: Man sollte etwas tun. Irgendwas. Man kann aber auch einen Plan verfolgen.

Eine Möglichkeit: das Sportabzeichen. In Bronze, Silber oder Gold – geprüft vom Stadtsportbund Wuppertal. So hat das Training ein Ziel. Ich werde es wagen. Die Serie „Herausforderung Sportabzeichen“ wird mich begleiten: von der sportmedizinischen Untersuchung, um zu erfahren, ob ich überhaupt tauglich bin, über das Training zwischen Ausdauer, Kraft, Schnelligkeit und Koordination bis zu den offiziellen Prüfungen. Zehn Wochen lang.

Das Training wird von der
Sportwissenschaft begleitet

Es geht nicht darum, am Ende eine Urkunde oder ein Abzeichen in der Hand zu halten, das ich mir ans verschwitzte Trikot klemmen kann. Es geht um den Weg dorthin. Als untrainierter Mensch mit Unterstützung durch Experten so fit zu werden, dass ich am Ende die Prüfungen schaffe, ohne auf der Aschenbahn bereits nach zehn Metern zu kapitulieren. Dabei arbeitet die WZ unter anderem mit dem sportwissenschaftlichen Institut der Uni Wuppertal zusammen.

Die Herausforderung ist groß, denn sportlich aktiv war ich zuletzt im Jahr 2018. Zirkeltraining im Fitnessstudio. Fahrrad-Ergometer, Beinpresse, Vertikalzug, Squats. Es funktionierte, machte aber irgendwann keinen Spaß mehr. Es folgte ein Kurs im präventiven Rückentraining, der wirklich klasse, allerdings nach zehn Terminen beendet war. Danach probierte ich Yoga aus. Doch Sonnengruß, Kobra und Schulterstand waren letztlich nicht das, womit ich mich identifizieren konnte.

In meiner Kindheit und Jugend war das ganz anders: Wie viele aus meinem Freundeskreis war ich im Grundschulalter zunächst im Turnverein. Ich fuhr viel mit dem Fahrrad durch die Gegend – mit einem Mountainbike namens „Thunderbird“, meist am Wochenende, damals noch ohne Helm. Beim Sommerurlaub 1987 in einem Feriendorf in Kärnten nahm ich an einer Kinderolympiade teil: Laufen, Weitspringen, Schwimmen. Ich erreichte den dritten Platz und durfte bei der Siegerehrung aufs Treppchen. Ein schönes Gefühl. Die Medaille besitze ich heute noch.

Mit elf Jahren ging ich in den Tischtennisverein. Beim PSV Velbert blieb ich fünf Jahre. Eine Begegnung mit Jörg Roßkopf und Steffen Fetzner, die damals bei Borussia Düsseldorf zu den Ikonen des deutschen Tischtennissports gehörten, bleibt mir unvergessen.

Doch dann kam lange nichts mehr. Jetzt bin ich 43. 1,85 Meter, 81 Kilogramm. Journalist. Redaktion. Computer. In Bewegung setze ich mich oft nur in der Mittagspause in Richtung Bäcker oder zum Italiener. Oder die Treppe hoch zur Schwebebahn auf dem Weg zum nächsten Termin. Doch vor einigen Wochen kam das Erweckungserlebnis: Ich war im Urlaub. Im Allgäu. Dort lief ich viel zu Fuß. In wunderschöner Landschaft und frischer Luft. Jeder Schritt tat gut. An nichts denken, nur gehen. Das war der Auslöser. Mir wurde bewusst: Ich kann nicht nur mit dem Kopf, ich kann auch mit den Beinen arbeiten. Und aus dem Himmel rief mir meine Oma wieder zu: „Du musst dich bewegen.“

Die Qual der Wahl
bei den Disziplinen

Das Sportabzeichen wird daher meine Medaillenhoffnung. Gleichwohl muss ich erst einmal die Anforderungen verstehen: Für jede der vier Disziplinen gibt es bis zu fünf Möglichkeiten. So können die Teilnehmer ihre Ausdauer zum Beispiel durch 3000 Meter Laufen oder 7,5 Kilometer Walken nachweisen. Abgestuft nach Geschlecht und Altersklasse darf eine festgelegte Zeit nicht überschritten werden. Sollte ich den 3000-Meter-Lauf riskieren, müsste ich für das Abzeichen in Bronze nach spätestens 21 Minuten im Ziel sein. Um die Disziplin Kraft zu absolvieren, stehen etwa Kugelstoßen oder Klimmzüge zur Auswahl. Die Schnelligkeit lässt sich unter anderem in 200 Metern Radfahren oder im Schwimmen überprüfen. Ob ich auch Koordination beherrsche, kann etwa beim Weitsprung sichtbar gemacht werden.

Der Deutsche Olympische Sportbund, der die Regeln für das Sportabzeichen festlegt, bietet darüber hinaus die Möglichkeit, anerkannte Verbandsabzeichen aus anderen Sportarten anzuerkennen. So können beispielsweise auch Fußballer, Tanzsportler, Tischtennisspieler und Judoka ein Abzeichen als Ersatz für eine Disziplin vorlegen. Dies komme jedoch nur ein- bis zweimal im Jahr vor, teilt Hannelore Quiencke vom Stadtsportbund mit.

Um herauszufinden, wie das Ende der Geschichte aussehen könnte, begleite ich in der nächsten Folge den Elberfelder Jan Philipp Macht, der im September seine Polizeiausbildung beginnen wird, bei der Ablegung des Sportabzeichens auf der Kaiserhöhe. Auf die Plätze, fertig, los!