Swane-Café Niklas Frank liest in Wuppertal aus seinem Buch, in dem er mit seinem Nazi-Vater abrechnet

Wuppertal · Er ist der jüngste Sohn von Hans Frank, der überzeugte Nationalsozialist und Chef des Generalgouvernements für die von Deutschland während des Zweiten Weltkriegs besetzten polnischen Gebiete.

Niklas Frank, Sohn des Nazi-Kriegsverbrechers Hans Frank, hat sich Zeit seines Lebens an der Schuld seiner Familie abgearbeitet.

Foto: Andreas Fischer

Mit fein ziselierten psychologischen Beschreibungen seines Vaters hält sich Niklas Frank gar nicht erst auf, er geht das Thema lieber frontal an – oder besser gesagt: horizontal. Und so deklamiert der 85-Jährige gleich zu Beginn seiner Lesung im Swane-Café in schrillen Tönen, pornografisch aufgeladenen Motiven und hastigen Sätzen den Zeugungsakt seiner Eltern Hans und Brigitte, dem sein Dasein auf diesem Planeten zugrunde liegen soll. So manchem Besucher dürfte da am Freitagabend der Atem gestockt sein, als er hörte, wie unversöhnlich und zornig ein Mensch mit seinen Eltern abrechnen kann.

Der 1939 geborene Niklas Frank – Journalist und Buchautor – nimmt sich dieses Recht, weil er der jüngste Sohn des überzeugten Nationalsozialisten und Chef des Generalgouvernements für die von Deutschland während des Zweiten Weltkriegs besetzten polnischen Gebiete ist. Sein Vater trägt den Beinamen „Schlächter von Polen“. Der bei den Nürnberger Kriegsverbrecherprozessen zum Tode verurteilte und im Oktober 1946 gehenkte Hans Frank sei ein „Prototyp des deutschen Verbrechers jener Zeit“ gewesen, berichtet Frank: „Hoch gebildet, aber ohne Moral“.

Niklas imaginiert sich in den Sterbemoment seines Vaters geradezu hinein, nimmt sie als erotische Ersatzbefriedigung, wie er selbst schreibt – mit dem Verweis, dass er auf die Vorstellung von der Hinrichtung seines Vaters masturbiert habe. „Ich mochte dein Sterben“, rezitiert es aus seinem Buch. „Das Knacken deines Genicks ersparte mir ein verkorkstes Leben.“

Niklas Frank, der als Journalist für den „Playboy“ und den „Stern“ gearbeitet hat, weiß, wie er Geschichten recherchiert und auf den Punkt bringt. An seiner Familie hat er sich in mehreren Publikationen abgearbeitet: Zunächst 1987 mit seinem Buch „Der Vater. Eine Abrechnung“, hinzu kamen unter anderem 2005 ein Buch über seine Mutter und 2013 ein Buch über seinen Bruder Norman. Niklas Frank hat zwei Brüder und zwei Schwestern – man kann sich angesichts der drastischen Worte, mit denen er seine Eltern charakterisiert und Privates öffentlich macht, vorstellen, dass die Diskussionen um die historische Verstrickung der Eltern unter den Geschwistern nicht leicht gewesen waren.

Franks Mutter inszenierte sich als „Königin von Polen“

Als kleiner Junge lebte Niklas Frank mit seiner Familie auf dem Krakauer Königsschloss, sein Vater agierte als Statthalter Hitlers in Polen. Seine Mutter inszenierte sich als „Königin von Polen“, kaufte gerne in den Juden-Ghettos ein, weil es dort so schöne Koteletts und Pelze gab. Sohn Niklas schildert sie in seinem Buch als etwas unbedarfte, aber durchaus auch mit taktischem Geschick ausgestattete Person, die den Vater unterstützte und seine Untaten deckte.

Bei der Auseinandersetzung mit der familiären Vergangenheit lässt es Niklas Frank aber nicht bewenden. Er hat auch zur deutschen Vergangenheitsbewältigung beziehungsweise -nichtbewältigung eine pointierte Ansicht. Fazit: Alles nur scheinheiliges Getue und Fortsetzung des Antisemitismus unter vermeintlich demokratischen Vorzeichen. Die Deutschen hätten das Thema Holocaust (man kann es auch Shoa nennen) bis heute beschwiegen und ihre „ureigenen Verbrechen nicht angenommen“.

Es gebe zwar 100 000 Stolpersteine und 354 Gedenkstätten und Denkmäler für die ermordeten Juden in Deutschland, doch das Verschweigen dauere an, der Antisemitismus lebe fort – und von dieser Zustandsbeschreibung führe dann „ein direkter Weg zur AfD“. Die Einschätzung des 85-Jährigen für die Zukunft Deutschlands fällt an diesem Abend, zu dem der Verein Allianz für Diversität, Dialog und Empowerment (Adde) eingeladen hatte, auch düster aus: „Die Demokratie geht vor die Hunde.“