Wuppertal Not ist nicht besser als Elend

Wuppertal. Miteinander sprechen, wichtige Themen zu diskutieren, ist eine wichtige, richtige und gute Sache. Wer wüsste das besser als eine Stadtgesellschaft, deren politisch interessierter Teil seit zehn Jahren mit einer Großen Kooperation von SPD und CDU im Stadtrat umzugehen hat?

Lothar Leuschen.

Foto: Schwartz, Anna (as)

Wuppertal. Miteinander sprechen, wichtige Themen zu diskutieren, ist eine wichtige, richtige und gute Sache. Wer wüsste das besser als eine Stadtgesellschaft, deren politisch interessierter Teil seit zehn Jahren mit einer Großen Kooperation von SPD und CDU im Stadtrat umzugehen hat?

Schon aus diesem Grund ist es aller Ehren wert, dass Gesprächsrunden organisiert werden. Die Fraktionen von Linken und Grünen im Stadtrat machen das auch. Am 10. Mai soll es in der Volkshochschule um die leider nachweislich vorhandenen, unerträglichen rechten Umtriebe in Wuppertal gehen. Die Diskussion fußt auf der Messerattacke dreier rechter Schläger auf einen Besucher des Autonomen Zentrums im April vergangenen Jahres. Das Opfer überlebte knapp.

Die Täter sind gefasst und abgeurteilt. Also Fall erledigt? Nicht für Grüne und Linke. Sie wollen besprechen, ob die Ermittlungsbehörden in Wuppertal auf dem rechten Auge blind sind. In einer demokratischen Gesellschaft ist eine solche Frage ausdrücklich erlaubt, und es spricht für gewählte Mandatsträger, dass sie diese Frage stellen. Das ist dann aber auch schon das einzig Gute an der geplanten Gesprächsrunde. Alles andere ist schlecht.

Das Podium ist mit den Landtagsabgeordneten Andreas Bialas (SPD) und Verena Schäffer (Grüne) sowie möglicherweise mit Dieter Nelles von der Opferberatung Rheinland so besetzt, dass sich die vierte Gesprächspartnerin fast vorkommen muss, wie vor einem Tribunal.

Es wäre deshalb wenig überraschend, wenn die eingeladene Polizeipräsidentin Birgitta Radermacher ausgerechnet an jenem besagten Abend leider einen anderen, noch wichtigeren Termin hätte. Dann könnten die drei anderen sich zwar in ihrer womöglich einhelligen Meinung bestätigen, dass die Polizei bei den rechten Vögeln viel genauer hinschauen müsse, aber eine ergebnisoffene Diskussion im Sinne eines Meinungs- und Wissensaustausches wäre das sicher nicht.

Die gäbe es allerdings auch nicht, wenn die Polizeipräsidentin oder ein Vertreter mit in der Runde säße. Einladung und Anmoderation zur Veranstaltung lassen keinen Zweifel am gewünschten Diskussionsergebnis zu, auch wenn der Ex-Polizist Bialas vielleicht einen differenzierten Blick auf die Arbeit seiner früheren Kollegen haben mag als seine Mitdiskutanten.

Das ist bedauerlich. Denn hinter der Frage nach dem Verhalten der Polizei verbirgt sich die ebenso wichtige Frage, wie Wuppertal die überwiegend jungen Menschen am extrem rechten und extrem linken Rand des politischen Spektrums für die kritisch-konstruktive Teilnahme am gesellschaftlichen Leben in dieser Stadt gewinnen könnte. Dann brauchte es auch keinen rechtsfreien Raum mehr, den dessen Bewohner als Autonomes Zentrum bezeichnen und von dem die Politik und Verwaltung in dieser Stadt aus Furcht vor linker Gewalt die Finger lassen.

Sollte die gemeinsame Veranstaltung von Grünen und Linken allerdings ein Vorgriff auf die von der SPD-Basis geforderte „linke Gestaltungsmehrheit“ im Stadtrat sein, dann wäre Enttäuschung programmiert. Denn wer zu Recht breite Debatten über politische Themen in Wuppertal fordert, wer will, dass Politik nicht nur gemacht, sondern auch erklärt wird, dazu anscheinend aber weder die CDU noch die FDP einlädt, der macht im Grunde nichts anderes als das, was er der rot-schwarzen Kooperation seit Jahren und nicht immer unbegründet vorwirft. Unter diesen Umständen kann aber auch alles bleiben, wie es ist. Not ist nämlich nicht besser als Elend.