Projekt Sprint: Brückenbauer für den Alltag von Migranten

Die Diakonie Wuppertal bildet Integrationshelfer aus. Der Bedarf ist groß.

Wuppertal. Eine Muslima kommt in eine Arztpraxis. Sie will der Ärztin zur Begrüßung bewusst nicht die Hand geben - in ihrer Kultur ist das ein Zeichen von Respekt. Die Ärztin versteht das Verhalten aber falsch und interpretiert es als Unhöflichkeit. Ein anderer Fall: Ein Lehrer beschwert sich darüber, dass ein tamilisches Kind immer konsequent wegschaut, wenn es angesprochen wird. Dabei ist es aus Sicht der Kultur des Kindes eindeutig frech, Erwachsenen in die Augen zu blicken.

Beide Beispiele zeigen, wie schnell es zu Missverständnissen kommen kann, wenn Migranten und Deutsche aufeinandertreffen, ohne den kulturellen Hintergrund des anderen zu kennen. Und das kann oft passieren: Denn obwohl in Wuppertal laut Familienbericht rund 37 Prozent der Familien mit Kindern einen Migrationshintergrund haben, sind hier wie anderorts die medizinischen, sozialen und pädagogischen Institutionen noch weitgehend deutschsprachig und monokulturell ausgerichtet.

Das Projekt Sprint-Wuppertal soll helfen: Die Diakonie bildet derzeit 27 Personen zu Sprach- und Integrationsmittlern aus. "Die Ausbildung ermöglicht einen breiten Einsatz überall dort, wo Migranten Kunden im weitesten Sinne sind", sagt Projektleiterin Antje Schwarze. Deutsche Fachkräfte hätten manchmal Schwierigkeiten, den Kontakt zu den Menschen mit ausländischen Wurzeln herzustellen.

Ob in der Jugendhilfe, in Psychiatrien und Krankenhäusern oder bei der Stadt - in vielen Bereichen werden Übersetzer händeringend gesucht. "Wir reagieren auf einen Bedarf", sagt Achim Pohlmann, Leiter der Migrationsdienste bei der Diakonie. Und der wachse stetig weiter. Wichtig sei es, das Ganze auf eine solide Basis zu stellen und zu professionalisieren. Bisher seien häufig Verwandte als so genannte Ad-hoc-Dolmetscher im Einsatz. Ihnen fehle aber der fachliche Hintergrund und vor allem die nötige Distanz.

Die Integrationshelfer kennen die Lebensumstände in den jeweiligen Heimatländern und - was gerade bei der Arbeit mit Flüchtlingen hilfreich sein kann - haben teilweise selbst Fluchterfahrungen gemacht. Vor allem beherrschen sie aber die jeweilige Sprache. In dem jetzigen Kurs sind allein 18 vorhanden: von afghanisch über Kikongo, serbo-kroatisch und tamilisch bis türkisch.

Kirija Kempf (45) und Andreas Reger (28) gehören zu den Projektteilnehmern. Neben 13,5 Monaten Theorie werden sie 4,5 Monate lange Praktika in Einrichtungen des Gesundheits- und Sozialwesens absolvieren. Die Tamilin Kempf ist seit 25 Jahren in Deutschland und hat in ihrer Heimat eine Ausbildung zu Kinderpflegerin gemacht. "Die tamilischen Leute hier brauchen viel Hilfe - über alle Generationen hinweg."

So klafften zum Beispiel die Vorstellungen von der richtigen Erziehung eines jungen Mädchens zwischen deutschen und tamilischen Landsleuten weit auseinander. Auch der Russe Andreas Reger will seinen Landsleuten helfen: "Ich habe selbst am Anfang viele Probleme gehabt, zum Beispiel beim Arzt und bei Ämtern", sagt der gelernte Betriebswirt, der seit fünf Jahren in Deutschland lebt. "Wir sehen die deutsche Kultur immer durch unsere Brille."

Kempf und Reger leben wie alle anderen Projektteilnehmer von Hartz IV- neben der Migrationserfahrung eine der Voraussetzungen für die Teilnahme am Projekt. "Die Teilnehmer sind zum Teil sehr gut ausgebildet. Aber es gehen wichtige Ressourcen verloren, weil sie auf dem Arbeitsmarkt nicht so schnell Fuß fassen können", sagt Achim Pohlmann, Leiter Migrationsdienste.

Die späteren Einsatzmöglichkeiten der fertigen Migrationshelfer sieht er optimistisch: "Die Kommunen müssen etwas tun. Das System ist noch viel zu einseitig auf die Bedürfnisse der Einheimischen ausgerichtet." Dabei sei Deutschland längst auch zum Einwanderungsland geworden.