Räuberbande vor Gericht: Big Boys Opfer im Kreuzverhör

Warum sich im Prozess gegen sieben mutmaßliche Räuber auch die Überfallenen viele Fragen des Gerichts anhören müssen.

Wuppertal. Im Prozess zu einer spektakulären Raubserie im vergangenen Jahr — insgesamt sind sieben Männer angeklagt, darunter der geständige, bandenintern Big Boy genannte Ex-WSV-Kicker Daniel K.-R. (22) — hat gestern die Vernehmung der Opfer begonnen. Gemessen an den Nachfragen der Prozessbeteiligten muss man eigentlich von mutmaßlichen Opfern sprechen.

Kein Wunder: Laut Staatsanwaltschaft gab es bei mindestens zwei Fällen Tipps von Insidern: beim Überfall auf eine Geldbotin des Modegeschäfts S.Oliver in den City-Arkaden — Beute: 17.500 Euro — und beim Überfall auf den Hornbach-Baumarkt auf Lichtscheid — Beute: 59.000 Euro.

Im Fall der S.Oliver-Filiale steht bekanntlich eine damalige leitende Angestellte im Verdacht, den angeblichen Bandenchef — Mario F. (32), — die entscheidenden Tipps für den Überfall gegeben zu haben. Gestern trat die 27-Jährige in den Zeugenstand und machte mit Blick auf ihren geständigen Bruder auf der Anklagebank und das Ermittlungsverfahren gegen sie selbst von ihrem Schweigerecht Gebrauch. Und so wurde eine S. Oliver-Kollegin, die am Tattag Dienst hatte, befragt. Prompt stellte sich heraus, dass auch diese Frau mit Mario F. verwandt ist. Allerdings so weitläufig, dass die 29-Jährige kein Schweigerecht hat.

Eine Zeugin über ihre unter Verdacht stehende Ex-Kollegin.

Gleichwohl wusste die Frau, dass ihre Kollegin die Schwester von F. ist. Und irgendwann erfuhr sie dann auch, dass F. verhaftet wurde. Ob sie dann Verdacht geschöpft habe, dass ihre langjährige Kollegin mit den Räubern unter einer Decke stecken könnte, wollte das Gericht wissen. „Ich konnte mir das nicht vorstellen“, sagte die Zeugin gestern und wurde nach einer einstündigen Vernehmung entlassen.

Auch im Fall des Überfalls auf die Postfiliale an der Düsseldorfer Straße wurde das Opfer eine Stunde lang befragt. Grund: Daniel K.-R. hat zwar auch diesen Überfall gestanden. Der 22-Jährige sagte aber auch, dass das Opfer auf ihn den Eindruck gemacht habe, in die Tat eingeweiht gewesen zu sein. Zumal Mario F. vor geraumer Zeit mal in diesem Kiosk gearbeitet hat. So wurde das Überfallopfer gestern mehr als einmal direkt gefragt, ob er in den Überfall eingeweiht war und quasi „mitgespielt“ habe. Jedes Mal sagte der 38-Jährige „Nein“.

Damit gab sich das Gericht irgendwann zufrieden. Kurios: Gestern wurde bekannt, dass einer der Angeklagten drei Wochen nach dem nächtlichen Überfall auf den Postkiosk den 38-Jährigen erneut angegangen hat. An einem Samstagnachmittag sei ein ihm unbekannter Mann zu ihm ins Auto gestiegen, habe ihn mit einer Waffe bedroht und gefordert, in den Kiosk zurückzukehren, um dort den Tresor zu leeren. Mit Notlügen habe er den unmaskierten Mann auf dem Beifahrersitz hingehalten. Der Unbekannte sei schließlich unverrichteter Dinge wieder verschwunden. Gestern gab sich der voll geständige Angeklagte dem Opfer im Saal zu erkennen.

Der 23-Jährige hat mittlerweile über seinen Verteidiger Andreas Plümpe eine Entschuldigung und Schadensersatz auf den Weg gebracht. Insgesamt soll der Mann aus dem Kiosk 1.500 Euro bekommen. 550 wurden bereits gezahlt. Gestern im Gerichtssaal nahm er die Entschuldigung des angeklagten 23-Jährigen an.

Der Prozess am Landgericht wird fortgesetzt. Den sieben Angeklagten drohen mehrjährige Haftstrafen.