Flüchtlingshilfe Rehsiepen: Kreativität bei der Flüchtlingshilfe ist gefragt
Wuppertal · Flüchtlingshilfe funktioniert in der Corona-Krise anders. Etwa über eine Video-Konferenz.
Die Wohnungstür ist zu, darauf kleben nur fünf Papiere: Hinweise zum Coronavirus und zur Vermeidung der Infektion in vier Sprachen sowie Kontaktdaten von helfenden Händen aus der Gemeinde. Zu ihnen gehört Abeer Alhayek, Organisatorin der Wohnung am Rehsiepen, in der sonst Geflüchtete unterstützt werden.
Zu Zeiten der Corona-Pandemie können die dortigen Angebote nicht fortgeführt werden. Üblicherweise wird hier auf verschiedenste Weise Gemeinschaft gelebt, ob beim Sprach-Café, beim Schach, Kartenspielen oder bei der Kinderbetreuung. Es werden Deutschstunden gegeben und hier aufwachsende Kinder können sich im Arabischkurs in der Muttersprache fit halten.
Das Zusammenleben auf diese Weise entfällt nun, da das Aufhalten in Gruppen ein hohes Risiko der Infektion mit dem neuartigen Coronavirus birgt. Viel Spielraum bietet sich da nicht für Alhayek, die nun vorerst keine Gruppen mehr betreuen kann. Getragen wird die Wohnung mit Büro, Küche und Unterrichtsraum von den vier Kirchengemeinden aus Ronsdorf sowie der Stadt Wuppertal.
Auch Alhayek selbst ist mit ihrem Laptop aus dem Büro in ihre eigene Wohnung gezogen, „Home Office“, die neue Situation erfordert es. Doch sie muss nicht einfach ertragen werden, wie Alhayek eindrucksvoll zeigt. Am Sonntag stiftete sie das ganze Haus erstmals dazu an, um sechs Uhr auf den Balkon zu gehen, „um zu klatschen, Danke zu sagen an Ärztinnen, Supermarktkassierer, die Leute, die immer noch arbeiten. Wir dürfen sie nicht vergessen.“ So erfüllte also gemeinsamer Applaus die Siedlung; eine bemerkenswerte Aktion, die wiederholt werden soll.
Unbekannte bespuckten
Türklinken und Knöpfe
Doch nicht nur das macht die Tage im Haus erträglicher. Alhayek berichtet, dass die Kinder, die in die Gemeinde-Wohnung kommen, viel lieber das gute Wetter nutzen würden. So rief sie kurzerhand einen Wettbewerb aus: Jedes Kind malte daheim ein Bild vom Frühling. Über die WhatsApp-Gruppe der Mütter wurden die Ergebnisse präsentiert und die Sieger auserkoren.
Auch an Solidarität den Schwächeren gegenüber mangelt es unter den Geflüchteten nicht. „Wir haben Alte und Kranke, wir müssen auf alle achten“, sagt Alhayek und berichtet, dass beispielsweise Einkäufe erledigt werden für die Menschen, die zur Risikogruppe gehören.
Mit den Frauen, die zum Sprach-Café kommen, dort üblicherweise zusammensitzen und über Geschichten die deutsche Sprache lernen, gab es einen Konferenz-Videoanruf. Die gegebenen Möglichkeiten werden genutzt, denn: „Wir müssen zusammenarbeiten, diese Situation macht alle gleich“, so Alhayek.
Trotz allem denkt sie nicht nur an das Virus und die damit verbundene Krise: „Hier wohnen etwa 200 Familien, die meisten von ihnen kommen aus Syrien. Der Krieg dort ist das größere Virus.“ Der Blick dürfe nicht ausschließlich auf die aktuelle Krise geworfen werden, es gebe mehr als nur Corona, sagt die Organisatorin. Trotzdem stelle die Situation die Geflüchteten vor Probleme, etwa jene, die nun nicht mehr den Sprachkurs besuchen könnten.
Zu den ohnehin allgegenwärtigen Sorgen gesellt sich eine neue, einschneidende: Unbekannte bespuckten am Sonntag Türknäufe und Aufzugknöpfe des Hauses, in dem größtenteils Geflüchtete leben. Der Zusammenhang zur Corona-Krise ist ersichtlich, jedoch kann ein solcher Angriff zu keiner Zeit geduldet werden. Gerade jetzt resultiert daraus auch ein hohes gesundheitliches Risiko. Die Dimension einer solch verantwortungslosen Tat, egal von wem sie ausging, dürfe nicht unterschätzt werden. „Wir müssen direkt eine Lösung finden“, fordert Abeer Alhayek: „Wir haben genug Drama, wir brauchen das nicht.“