Schulbeginn ohne Jill? Kein Taxi für das behinderte Kind
Die Stadt will für das Mädchen kein Taxi zahlen – Mutter Roswitha Föhles kann jedoch nicht selbst fahren.
Wuppertal. Jill ist ein fröhliches Kind, trotz ihrer schweren Krankheit. Sie leidet unter Spina Bifida, einer angeborenen Fehlbildung der Wirbelsäule, die auch als "offener Rücken" bezeichnet wird. Die Achtjährige ist schwer körperbehindert, auf ständige Begleitung angewiesen und benötigt einen Rollstuhl. Mit ihrer Mutter Roswitha und den beiden Geschwistern ist sie vor kurzem nach Vohwinkel gezogen und freut sich schon, ab nächster Woche die Grundschule Sillerstraße in Sonnborn besuchen zu können.
Das Problem ist nur: Jill kommt nicht dorthin. Busfahren ist ausgeschlossen, das Kind muss gefahren werden. Roswitha Föhles ist stark sehbehindert. Einen Führerschein habe sie zwar, sagt die 38-Jährige, "doch bei Dunkelheit oder Regen kann ich nicht fahren". Deshalb hatte sie gehofft, dass Jill zur Schule gebracht werden könnte, und sich an die Stadt gewandt.
Von dort kam eine Ablehnung: Die "Beförderung Ihrer Tochter durch Dritte", also per Taxi, sei nicht möglich, heißt es. Grundlage der Entscheidung ist die sogenannte Schülerfahrkostenverordnung, nach der ein Taxi-Transport "nur in ganz seltenen Fällen bewilligt wird", erläutert Kathrin Petersen von der Verwaltung. "Das ist keine Entscheidung der Stadt Wuppertal, es handelt sich um Landesvorschriften."
Vorrang habe die Beförderung mit dem eigenen Pkw, dafür gibt es 13 Cent pro Kilometer. Und da Roswitha Föhles über Auto und Führerschein verfüge, könne ihr zugemutet werden, ihre Tochter zu fahren. "Ich verkenne nicht, dass Sie sich aufgrund Ihrer starken Sehbehinderung in einer misslichen Situation befinden", schreibt Schuldezernent Matthias Nocke der Familie. Und dann schlägt er vor: "Vielleicht besteht die Möglichkeit, die Strecke einmal in Ruhe ,einzuüben’, so dass auch bei schlechten Witterungsverhältnissen und morgendlicher Dunkelheit die Fahrtstrecke für Sie zu bewältigen ist."
Roswitha Föhles weiß nicht, ob sie darüber lachen oder sich aufregen soll. "Das hat doch nichts mit Üben zu tun - es ist einfach zu gefährlich."
Paul Roemer vom Sozialrechtsverein "handicap" kennt die Sachlage gut. "Leider ist die Stadt auf der sicheren Seite", sagt er. Schon in anderen Fällen habe man erfolglos geklagt. Im Frühjahr berichtete die WZ über Familie Schmitz, der seit dem Schuljahr 2008/2009 ebenfalls keine Taxibeförderung für die Tochter im Rollstuhl mehr bewilligt wird.
Roswitha Föhles fühlt sich allein gelassen. Natürlich könnte sie sich ihre Sehbehinderung von einem Augenarzt bescheinigen lassen, sagt sie. Doch dann, befürchtet die alleinerziehende Mutter, würde sie vermutlich ihren Führerschein los sein, auf den sie im Notfall aber angewiesen ist.
So oder so: "Eine Lösung muss her", sagt die Neu-Vohwinkelerin. Denn ansonsten könnte es am Montag ein ernsthaftes Problem geben - die Schule beginnt, und Jill ist nicht dabei.