Wuppertal Seilbahn — die abgehobene Lösung
Auch in Düsseldorf, Essen und Bochum gibt es Interesse an dem innovativen Verkehrsmittel. Nur die Wirtschaftlichkeit steht infrage. In Köln und Berlin fahren die Gondeln bereits.
Wuppertal. „Seilbahn, bei uns?“ Das klingt jenseits der Alpen offenbar noch immer so verrückt wie öffentlicher Nahverkehr via Sommerrodelbahn. Stadtverwaltungen klingen bei Nachfragen verblüfft. Auch weil die Aussichten vielerorts düster sind: In diversen Städten befinden sich die Verfahren in der Schwebe oder sind bereits gekippt worden.
In Essen wollte die Fraktion „Schöner Links“ die Seilbahn als Alternative zum Spurbus zwischen Wasserturm und Essen-Kray ins Spiel bringen. Die Mehrheit im Rat hat sofort abgewunken. „Eine Seilbahn über die A40 ist gar nicht denkbar“, fasst Essens Rathaus-Referentin Jasmin Trilling die Vorbehalte zusammen. Die Idee blieb eine Lachnummer — nicht geholfen hat da, dass zu den Befürwortern die Satiriker von „Die Partei“ gehörten.
Thema des Tages
Auch bei Eckart Kröck, Amtsleiter für Stadtplanung und Wohnen in Bochum, liegt die Seilbahn-Idee auf dem Schreibtisch. „Das ist im Moment irgendwie angesagt“, sucht er nach einer Erklärung dafür. Die Wählergruppe „Stadtgestalter“ setzt sich seit einiger Zeit für das schwebende Verkehrsmittel ein, das in Bochum gleich auf drei Strecken den Nahverkehr entlasten und unter anderem die Studenten zum Hochschulcampus bringen soll. Derzeit prüft die Bochumer Stadtverwaltung die Idee — kritisch. „Die Fragen, die sich stellen, sind noch nicht systematisch abgearbeitet“, sagt Kröck. Außer der unklaren Finanzierung, sieht Kröck auch noch rechtliche Unklarheiten, was das „Überfliegen“ von Straßen und Häusern angeht. „Im Stadtgebiet sieht das etwas anders aus als wenn ich mich in den Alpen über Kuhwiesen bewege“, sagt der Stadtplaner.
Und dann gibt es noch ein kleines Detail, in dem sich Bochum von Garmisch-Partenkirchen unterscheidet: Der Berg fehlt. „Wenn ich die Innenstadt anbinden will, müsste ich einen 30 Meter hohen Turm bauen“, sagt Kröck, der keinen Hehl daraus macht, dass sich selbst Hersteller gegen die Planung ausgesprochen haben. „In Bochum kannst du das vergessen“, habe er gehört.
Natürliche Hindernisse liefern Seilbahn-Visionären bessere Argumente. In Köln schweben seit 60 Jahren die Gondeln über den Rhein. Zur offiziellen Inbetriebnahme am 17. April 1957 war die Rheinseilbahn das erste Modell dieser Art, das über einen Fluss geführt wurde. Die Kölner Lösung inspirierte Koblenz, wo seit 2010 Fahrgäste von der einen zur anderen Rheinseite schweben können.
In Köln und Koblenz ist die Seilbahn aber mehr Touristenattraktion als Verkehrsmittel. In beiden Fällen stellte die Städte eine Bundesgartenschau mit zwei weit voneinander entfernten Kernbereichen vor strukturelle Probleme.
Das 850 Meter lange Seil zwischen dem Koblenzer Rheinufer und der Festung Ehrenbreitstein sollte eigentlich nach drei Jahren wieder verschwinden, um den Titel „Unesco-Welterbe“ für das Mittelrheintal nicht zu gefährden. Nachdem die Erlaubnis der Unesco einen Weiterbetrieb möglich machte, schockte ein Gutachten des Internationalen Rates für Denkmalpflege, der den Abbau der Anlage forderte, viele Koblenzer. Im Sommer 2013 demonstrierten 3500 Menschen für den Erhalt der Seilbahn. Inzwischen ist der Weiterbetrieb bis 2026 von der Unesco abgesegnet.
Gegen die Seilbahn gingen Anwohner und Naturschutzverbände in Berlin auf die Straße. Gebaut wurde das Transportmittel im Bezirk Marzahn-Hellersdorf anlässlich der Internationalen Gartenausstellung 2017 trotzdem. Eine Bürgerinitiative sammelte ohne Konsequenzen Unterschriften gegen die „Zerstörung des naturbelassenen Wuhletals“.
Die Stadt Berlin kostete der 14 Millionen Euro teure Drahtseilakt nichts. Betreiber und Investor ist die aus Südtirol stammende Firma Leitner AG, die in Hongkong, eine der größten Seilbahnen der Welt gebaut hat. Die Refinanzierung läuft nach Angaben des Unternehmens über Ticketverkäufe und den Restwert der Anlage beim geplanten Abbau 2020.
Blick von der Bundeshauptstadt nach Siegen: Auch hier gab es, ganz ähnlich wie in Wuppertal, die Idee, die auf einem Berg gelegene Universität mit einer Seilbahn besser anzubinden. Ohne Investor und zahlungswillige Blumenfreunde eine Herausforderung. Stadtsprecherin Sabine Schutz erinnert sich an die Pläne, die von einer Ingenieurgesellschaft untersucht wurden: „Die Ergebnisse waren ernüchternd, ein auch nur halbwegs wirtschaftlicher Betrieb — bei geschätzten Investitionskosten von rund 15 Millionen Euro — erschien undenkbar.“ Darüber hinaus habe es auch unüberwindbare praktische Probleme gegeben, da eine Vielzahl von Privathäusern und Privatgrundstücken hätte überbaut werden müssen. Vor etwa fünf Jahren starb in Siegen die Idee vom Schweben.
In Düsseldorf ist der Ofen noch nicht aus. Dort soll ein neues Wohngebiet an Stelle der Bergischen Kaserne besser angebunden werden. Ein Gutachter hat das Projekt aus Kostengründen durchfallen lassen, die Ratsmehrheit ist weiter interessiert und hat ein neues Gutachten gefordert.
Noch tun sich die Städte schwer, die Seilbahn als ein alltägliches Verkehrsmittel einzusetzen. Die erfolgreichen Seilbahnprojekte sind als Attraktion ins Rennen gegangen — nicht als Alternative zu Bus und Bahn. Stadtplaner Eckart Kröck aus Bochum drückt es so aus: „Eine Seilbahn ist auch Schau. Den großen Auftritt zu machen, muss auch sinnvoll sein. Sonst ist er lächerlich.“