Wuppertal Seniorenstudium - Uni anstatt Müßiggang
Hochschulabsolventen werden immer jünger. Diesem Trend trotzen in Wuppertal die 130 Teilnehmer des „Studiums für Ältere“.
Wuppertal. „Ich mache das für mich“ — Ulrike Schmidt (57) hat sich mit ihrem Studium einen echten Jugendtraum erfüllt. Als junge Frau hatte sie nie die Möglichkeit, zu studieren: „Ich durfte kein Abitur machen, weil die Familie Geld brauchte, also musste ich arbeiten gehen. In den 70ern hatte man als Kind auch nicht so viel Mitspracherecht wie die jungen Leute heute.“ Seit vergangenem Wintersemester ist Ulrike Schmidt in den Fächern Geschichte und Literatur eingeschrieben, mit dem„Studium für Ältere“, das kein Abitur voraussetzt, ist das möglich.
Krankheitsbedingt kann sie ihren Beruf nicht mehr ausüben und ist mit ihren 57 Jahren das „Küken“ in der Seniorenrunde. Drei Mal in der Woche verschlägt es sie an den Campus Grifflenberg. „Ich will mein Wissen erweitern“, sagt sie und lächelt, „an der Uni blühe ich immer auf. Die ganze Atmosphäre, auch in den Seminaren, mit den Jungen zusammen — das finde ich toll!“. Der Kontakt zu den anderen ist der lebensfrohen Hochschülerin sehr wichtig. Komisch kommt sich dabei eigentlich nie vor: „Ich weiß, ich bin älter, aber ich fühle mich nicht älter.“
Zugegeben, es handelt sich beim „Studium für Ältere“ nicht um das klassische Regelstudium. Es ist ein Angebot vom Zentrum für Weiterbildung, das es an der Bergischen Universität schon seit fast 30 Jahren gibt. Im Fokus steht die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit sozial- und geisteswissenschaftlichen Fächern. Einen Bachelor-Abschluss erhalten die Absolventen zwar nicht, dafür aber ein Zertifikat. Trotzdem ist das Studium anspruchsvoll: sechs Semester lang Vorlesungen besuchen, Hausaufgaben machen, Seminararbeiten schreiben, und wer will, geht mittags in der Mensa essen.
Letzteres machen Dietmar Wendel (66), Frajo Börsch (63), Hubertus Engelmann (63) und Gerhard Graßhoff (67) auch gerne mal zusammen. Die vier Herren sind bereits seit mehreren Semestern dabei und genießen ihren „Unruhestand“: „Ich war seit vier Jahren zu Hause. Da hab ich mir überlegt, dass das ja nicht das Ende sein kann! Und so kam ich auf die Idee hier zu studieren“, berichtet der ehemalige Industriekaufmann Dietmar Wendel. Ähnlich sieht das sein Freund und Kommilitone Frajo Börsch, der in Altersteilzeit gegangen ist: „Es gibt ja noch ein Leben nach der Arbeit“, sagt er und grinst. Als früherer Grafiker wünschte er sich einen Perspektivenwechsel. Den hat er mit den Fächern Geschichte und Theologie nun.
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Hubertus Engelmann fand ein Geschichtsstudium ebenfalls schon immer interessant. „Hinzu kommt, dass alle bei uns in der Familie studiert haben und das hole ich jetzt nach“. Nachholen, aber bitte ohne Druck. Eine Abschlussarbeit schreiben zwar alle, aber auch nach den sechs Semestern darf munter weiter studiert werden. Der Weg sei hier das Ziel, betonen die vier Hobbypauker.
Dem einen oder anderen Bekannten erzählen die betagten Hochschüler erst gar nichts von ihrem Unterfangen. Viele könnten nicht verstehen, wie man sich im Alter so etwas noch mal antun könne. Andere fänden es wiederum gut. Die Unterstützung der Kinder und Partner ist ihnen aber sicher. Frajo Börsch sitzt sogar in der gleichen Vorlesung wie sein Sohn, der auf Lehramt studiert. Peinlich ist das beiden aber nicht. Gesprochen haben sie anfangs allerdings schon darüber. „Ich gucke dann eher: schreibt er intensiver mit oder weniger intensiv? Da gibt’s zu Hause vielleicht auch mal ’nen Kommentar“, sagt der Remscheider lachend. Alles aus rein väterlicher Fürsorge, versteht sich. Bei Gruppenarbeiten und Referaten erfreuen sich ältere Studierende jedenfalls stetiger Beliebtheit. Das muss wohl an der Lebenserfahrung und dem Wissensvorsprung liegen.