Skandal im Rathaus: Bewährung nach 450-fachem Griff in die Stadtkasse

Eine Ex-Mitarbeiterin des Standes- und Einwohnermeldeamtes hat 25 000 Euro veruntreut. Vom Gericht gab es am Donnerstag scharfe Kritik an der Stadt.

Wuppertal. 17 Minuten dauerte es, bis alle Fälle aus der Anklageschrift verlesen waren - danach herrschte im Saal des Schöffengerichts erst einmal betretenes Schweigen: Aus den Jahren 2000 bis 2004 hatte die Staatsanwaltschaft 456 Fälle aufgelistet, in denen eine 58 Jahre alte und inzwischen entlassene Mitarbeiterin des Standes- und Einwohnermeldeamtes die Stadt um fast 25 000 Euro "erleichtert" hat.

Dem Urteil - eine Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren auf Bewährung wegen Untreue in 450 Fällen - ging ein Geständnis der Angeklagten voraus, das sich strafmildernd auswirkte. Zur Auflage wurde es der arbeitslosen Frau gemacht, monatlich mindestens 200 Euro Wiedergutmachung zu zahlen - in der Gesamtbewährungszeit von drei Jahren.

Zunächst wies die ehemalige Hauptkassiererin allerdings jede Schuld von sich: "Warum soll ich für etwas verurteilt werden, das ich nicht getan habe?"

Nach zwei Unterbrechungen und nach Rücksprache mit ihrem Anwalt gestand die 58-Jährige allerdings 450 der 456 Fälle ein. In sechs Fällen wies ihr Verteidiger darauf hin, dass die Wuppertalerin zur Tatzeit bereits ihren Arbeitsplatz verlassen hatte, was durch die Daten der städtischen Arbeitszeiterfassung zu belegen sei. Das wurde allerdings zur Randnotiz, als es um die Art und Weise ging, wie die Angeklagte bei der Veruntreuung der Gelder von Februar 2000 bis November 2004 vorgegangen war: Demnach war es der Hauptkassiererin vier Jahre möglich, beim Amt eingegangene Zahlungen zu stornieren und auszuzahlen - allerdings nicht wieder an die betreffenden Bürger, sondern an sich selbst.

Durch "regelmäßige Kassenmanipulation", so die Anklage, gelangte die Wuppertalerin zum Teil mehrmals täglich an Bargeldbeträge von im Schnitt 50 Euro und mehr.

So lief innerhalb von vier Jahren ein Gesamtschaden von 24 258,90 Euro auf. Um sich beim Griff in die Kasse dem Blick ihrer Kollegen zu entziehen, soll die Frau sogar die Aufstellung eines Büro-Schranks veranlasst haben, der als Sichtschutz diente. Dem Geständnis folgten deutliche Worte, die sich nicht nur an die Angeklagte richteten: "Die Taten wurden ihnen leicht gemacht", sagte Richter Christian Podeyn an die 58-Jährige gewandt.

Beim Standesamt habe es offensichtlich "eine Vielzahl von Versäumnissen" gegeben. So stand Donnerstag unter anderem im Raum, dass nach ersten Unregelmäßigkeiten Ende der 90er Jahre zwar eine verschärfte Kontrolle der Kasse auf den Weg gebracht, diese aber nicht in die Tat umgesetzt wurde. Das könne man fast schon als "Ermutigung" verstehen, so Podeyn.

Auch von der Staatsanwaltschaft setzte es Kritik: "Nicht nachvollziehbar" sei der Umstand, dass die Verwaltung die hohe Schadenssumme bislang noch nicht von der 58-Jährigen zurückgefordert habe - obwohl die Stadt um jeden Cent kämpfe.