Skulpturenpark: Craggs Traum wird Wirklichkeit
Am Samstag öffnet der Park seine Tore für die Öffentlichkeit – und wird wohl ein Kleinod Wuppertals.
Wuppertal. Dass Kurt Herberts nichts auf die lange Bank geschoben hat, steht für Tony Cragg außer Frage. "Allein im Park hatte er 20 Telefone." Der Bildhauer verrät’s mit einem Schmunzeln, zieht mit einem sanften Ruck an der Schublade unter einer Parkbank und zeigt auch schon, wo die kommunikativen Schätze versteckt waren. Weshalb der Lackfabrikant so viele Telefone nötigt hatte? "Handys gab es ja noch nicht. Außerdem wollte er kein Geschäft verpassen."
Cragg, der kurz davor ist, rund um die Villa Waldfrieden, mit der sich Herberts 1948 einen Wohntraum erfüllte, einen Skulpturenpark zu eröffnen, wäre kein Brite, wenn er nicht mit dem passenden Humor gesegnet wäre.
Und so werden die kleinen Geheimnisse des großen Fabrikanten munter ausgeplaudert: "Das Schwimmbad hat Herberts privat genutzt, aber als Löschteich für die Firma deklariert - aus steuerlichen Gründen." Ob ihn deshalb auch mal ein Anruf aus dem Finanzamt im Park erreichte, ist nicht überliefert.
Fakt ist hingegen, dass auch beim Hausherrn von heute hartnäckig das Telefonat klingelt: "Ich bekomme eine Flut von Anfragen von Fernsehteams aus Belgien, Frankreich, Italien." Alle wollen sie sehen, was es ab sofort nur im Tal gibt: Seit Mittwochnachmittag hat Cragg die Genehmigung, seinen Park offiziell zu eröffnen. "Am Wochenende könnten also die ersten Gäste kommen."
Hinweisschilder (in Deutsch und Englisch) sind schon da, die Kasse wird gerade eingerichtet, der Ansturm kann beginnen. Und was macht der Erfinder der neuen Oase? Er bleibt bescheiden. Statt auf die eigenen 19 Skulpturen zu verweisen, die den 16 Hektar großen Wald zum Erlebnispark machen, schwärmt er beim Rundgang lieber von Bäumen, Wegen ("Achtung, wenn es regnet, ist der Kies glitschig") und Werken anderer Künstler, die er nach Wuppertal bringen möchte.
"Der Park soll keine Tony-Cragg-World werden", stellt der gebürtige Liverpooler klar. Ausstellungen mit Werken renommierter Kollegen plant der Wahl-Wuppertaler, der bei aller Bescheidenheit doch auch kaufmännisch rechnen muss: "Wenn bei einem Eintrittspreis von 8 Euro pro Jahr 20.000 Besucher kämen, könnte das die Kosten decken. Mehr wollen wir nicht. Oder doch: Falls etwas Gewinn dabei herauskommt, könnte man in die Werke anderer Künstler investieren." Das wäre der Traum des Bildhauers, der das Areal vor zweieinhalb Jahren entdeckt hat. "Ich bin glücklich, dass ich es zur rechten Zeit gesehen habe."
700.000 Euro (darunter 125.000 Euro Landesmittel) wurden allein in die gläserne Ausstellungshalle investiert, die nun da steht, wo einst das Schwimmbad war. Den "gläsernen Künstler" soll es deshalb aber nicht geben: Besucher, die durch den Park wandeln, können dem berühmten Bildhauer zwar nicht bei seiner Arbeit über die Schulter schauen, ihm aber begegnen. "Ich lebe nicht in der Villa, habe dort aber ein Büro."
Herberts ließ die Villa Waldfrieden - getreu den Regeln der Anthroposophie - ohne rechten Winkel bauen, "weil man dachte, dass der Teufel in der Ecke lebt". Ein Spaziergang um die Villa ist aber nicht nur deshalb eine runde Sache: Die 19 Skulpturen, die Cragg im Gelände aufgestellt hat, machen den Rundweg zur individuellen Entdeckungsreise.
Es ist spannend, auf den schmalen Wegen leicht bergauf und bergab zu gehen, um dann überraschend auf meterhohe Kunstwerke zu stoßen, die sich perfekt in die Natur einbinden, sich im Dickicht des Waldes verstecken oder prominent auf einer kleinen Anhöhe präsentiert werden. Auch die Adresse könnte nicht besser gewählt sein:
An der Hirschstraße 12 gibt es (natürlich) auch wilde Zaungäste. Und die sind gern gesehen: "Hier laufen Rehe rum", sagt Cragg hoch erfreut. Höflich, wie er ist, entschuldigt er sich deshalb auch gleich für die "Auswahl" der Spaziergänger, mit denen er seinen Park teilen möchte: "Wegen der Rehe möchten wir hier keine Hunde haben."
20 Videokameras werden den Park überwachen. Die Gefahr, dass jemand eines der Kunststücke einfach unter den Arm klemmen und mitnehmen könnte, ist allerdings gering: Eine Edelstahlskulptur beispielsweise bringt 4,5Tonnen auf die Waage, ihr Sockel ist ein Meter tief im Boden verankert. "Das ist etwas für die Ewigkeit", sagt Cragg augenzwinkernd.
Weil der engagierte Künstler ein perfekter Gastgeber sein möchte, muss übrigens kein Spaziergänger durstig nach Hause gehen: Das Café Podest hat zwar schon einen Namen und Stühle, ist aber noch nicht geöffnet. "Wir warten nur noch auf die Konzession." Müde sei er nach all den Monaten, gibt er zu. Aber selbst das kommentiert der aufgeweckte Bildhauer gewohnt schelmisch: "Ich freue mich, dass es endlich los geht. Wir sind durch. Jetzt kann ich wieder arbeiten..."
Inspiriert vom neuen Wunder-Wald, dürfte das nicht schwer fallen. "Ich werde oft angesprochen, wie schön das hier ist", betont Cragg. "Das ist aber nicht mein Verdienst. Schön war es hier schon immer." Jetzt ist es allerdings noch schöner...