Pfarrer Jörg Wieder: „Wichlinghauser setzen sich ein“
Seit Juli ist Pfarrer Jörg Wieder auch für Wichlinghausen zuständig. Er spricht über Engagement und Probleme der Gemeinde.
Jörg Wieder ist Pfarrer in der Evangelischen Kirchengemeinde Wichlinghausen-Nächstebreck. Gemeinsam mit seinen beiden Kollegen ist er in Wichlinghausen für mehr als 7000 Gemeindeglieder zuständig. Zudem betreut er den Gemeindebezirk Nächstebreck mit gut 1000 Gemeindemitgliedern.
Herr Wieder, sie sind jetzt für zwei Gemeindebereiche zuständig, sollen aber gleichzeitig für jedes Mitglied jederzeit ein offenes Ohr haben. Wie schaffen Sie das?
Jörg Wieder: Die Gemeindebezirke sind zu groß geworden und die Aufgaben zu vielfältig, als dass ein einziger Pfarrer allen Anliegen gerecht werden könnte. Gut ist, dass auch andere Gemeindeglieder offene Ohren haben. Ohne die geht es nicht. Viele engagierte Ehrenamtliche sind für die Nöte ihrer Mitmenschen da und machen nicht wenige Besuche.
Viele Gemeinden beschweren sich über einen Rückgang der Mitgliederzahlen. Vor allem jüngere Menschen scheinen den Kontakt zur Kirche immer mehr zu verlieren. Wie versuchen Sie diesem Rückgang entgegenzuwirken?
Wieder: Schaut man sich die Bevölkerungsstatistik an, kehren sich nicht die Jugendlichen von der Kirche ab. Sondern die Zahl der evangelischen Jugendlichen nimmt rapide ab. Inzwischen haben mehr als 50% der unter 18-jährigen in Wichlinghausen einen Migrationshintergrund und sind in der Regel nicht evangelisch. Und dennoch engagieren wir uns als Gemeinde intensiv im Jugendbereich. Das Jugendhaus auf der Bartholomäusstraße wird von morgens bis abends intensiv genutzt. Unser Jugendleiter ist als Seelsorger und Sozialarbeiter gefragt. Mit sieben Schulen werden regelmäßige Schulgottesdienste und interreligiöse Schulfeiern durchgeführt.
Die Gemeinde Wichlinghausen-Nächstebreck ist nicht die erste, in der Sie tätig sind. Was schätzen Sie an dieser Gemeinde?
Wieder: Ich erfreue mich immer wieder an den vielen Menschen, die sich in der Gemeinde engagieren. An allen drei Gemeindezentren zählen wir insgesamt etwa 400 ehrenamtlich Mitarbeitende. Besuche, Gemeindebüro, Jugendkreise, Küsterdienste, Frauenkreise, Feste und vieles mehr wären ohne sie nicht möglich. Beeindruckt hat mich auch die besonnene Gelassenheit, mit der die Wichlinghauser auf die Finanzsituation der Kirchengemeinde und die Notwendigkeit der Aufgabe einer Kirche reagiert haben.
Wichlinghausen gilt mitunter als nicht ganz einfacher Stadtteil. Wie schätzen Sie die Situation ein?
Wieder: Die sozialen Probleme Wichlinghausens sind augenfällig. Geht man die Wichlinghauser Straße herauf, könnte man depressiv werden. Die Nichtumsetzung des Projektes „Soziale Stadt“ ist für den Stadtteil eine Katastrophe. Stadtteile wie Wichlinghausen bedürften mehr Engagements von politischer Seite. Auf der anderen Seite bin ich beeindruckt, wie viele Menschen sich nicht entmutigen lassen und sich mit viel Engagement und Zeiteinsatz für ihren Stadtteil einsetzen. Die Vielfalt der aktiven Gruppen, Initiativen und Menschen sehe ich unter anderem in der Stadtteilkonferenz.